piwik no script img

Verwirrung

Hilflos rudert der Richter durch die Nebelzonen der Mikrobiologie, in denen sich militärische und zivile Forschung nur noch an den Zielsetzungen unterscheidet. Er sucht zwischen Krankheitserregern, „unter denen sich auch der Laie etwas vorstellen kann“ und der exotischen wie der „venezuelanischen Pferdeencephalitis“ immer wieder den Rettungsring juristischer Faßbarkeit; doch im Streit der Kontrahenten, Virologen der Hochschule auf der einen und grüner Dissident der Biotechnologie auf der anderen ohne viel Erfolg. „Warum bestehen Sie denn auf ihrem Lieblingswort Biowaffenversuche“, will er vom Landesgeschäftsführer der niedersächsischen Grünen, Kiper, wissen, muß aber nach der Darstellung eines Biokriegs–Szenarios durch den Grünen wieder feststellend einräumen: „Solche Horrorvorstellungen darf er verbreiten.“ Das ist für den Juristen dann „wie bei James Bond, da treten ja auch immer solche Leute auf, die die Welt vernichten wollen.“ Doch für diese Projektionen „sind wir das falsche Objekt“, beharren die Wissenschaftler auf ihren zivilen Intentionen“. Und Unfälle, weiß ihr Anwalt, „können auch im VW–Werk passieren“. Die Wissenschaftler fühlen sich in ihrer Ehre verletzt. Doch worin liegt die Ehrenrührigkeit? „An der Verteidigungsforschung beteiligt gewesen zu sein?“ will der Richter wissen. Nein, so weit wollten sich die Wissenschaftler auch nicht distanzieren. „Vor allem“, so die beleidigten Forscher, „kommt es darauf an, wie Begriffe wie Kriegsforschung in der Öffentlichkeit aufgenommen“ würden, die ja nun nicht nur grün sei. Mit einer sofortigen Entscheidung fühlt sich der Richter im Schlagabtausch der Kontrahenten überfordert. Er braucht noch einmal drei Wochen, die Argumente zu sondieren. Dann soll die Entscheidung über Krieg und Frieden im Genlabor fallen.

taz lesen kann jede:r

Als Genossenschaft gehören wir unseren Leser:innen. Und unser Journalismus ist nicht nur 100 % konzernfrei, sondern auch kostenfrei zugänglich. Texte, die es nicht allen recht machen und Stimmen, die man woanders nicht hört – immer aus Überzeugung und hier auf taz.de ohne Paywall. Unsere Leser:innen müssen nichts bezahlen, wissen aber, dass guter, kritischer Journalismus nicht aus dem Nichts entsteht. Dafür sind wir sehr dankbar. Damit wir auch morgen noch unseren Journalismus machen können, brauchen wir mehr Unterstützung. Unser nächstes Ziel: 40.000 – und mit Ihrer Beteiligung können wir es schaffen. Setzen Sie ein Zeichen für die taz und für die Zukunft unseres Journalismus. Mit nur 5,- Euro sind Sie dabei! Jetzt unterstützen