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GASTKOMMENTARVerwirrung in der UNO

■ Generalsekretär Boutros Ghali versucht, die serbische Schuld am Krieg zu relativieren

Verwirrung in der UNO Generalsekretär Boutros Ghali versucht, die serbische Schuld am Krieg zu relativieren

Während international die Bereitschaft zu wachsen beginnt, den serbischen Terrorismus in Bosnien-Herzegowina mit militärischen Mitteln zu stoppen, übt sich der UNO- Generalsekretär im Erzeugen neuer Unübersichtlichkeiten. Seine linke Hand bei diesem Geschäft ist Marrack Goulding, dessen verworrene Berichte über die Lage in den okkupierten Teilen Kroatiens maßgeblich für eine Auslegung des UNO-Friedensplanes sorgten, die direkt in das jetzige Scheitern führte. Der lächerliche Versuch, jetzt die Schuld am Krieg zu verteilen, geht auch auf die wenig kompetente Berichterstattung Gouldings zurück.

Der Generalsekretär prangert die Präsenz kroatischer Verbände in Bosnien-Herzegowina an. Wahr ist aber auch, daß die Bauindustrie Kroatiens unter akutem Mangel an Arbeitskraft leidet, weil sich fast alle bosnischen Gastarbeiter der Verteidigung ihrer Heimat angeschlossen und Kroaten und Moslems ein Verteidigungsbündnis vereinbart haben. Eine Schandtat, die kroatisch-moslemischen Verteidiger mit den Verantwortlichen für die bestialische Zerstörung ganzer Städte und den Exodus Hunderttausender gleichstellen zu wollen!

Mit welcher Spitzfindigkeit will man nun die Schuld Belgrads relativieren, wenn man weiß, daß dort General Mladic, der jetzt Sarajevo in Schutt und Asche bomben läßt, erst neulich diesen hohen Offiziersgrad verliehen bekam für Verdienste im kroatischen Knin, die man gemeinhin als Kriegsverbrechen bezeichnet. Während die jugoslawische Luftwaffe Ortschaften in Bosnien angreift, auf Tuzla, dem Standort der chemischen Industrie, wo Unmengen von hochgiftigem Phosgen lagern, Bomben ausschüttet, redet Boutros Ghali von einer kroatischen Großoffensive! Soll damit von dem bitteren Ernst der Lage, von der Not der hungernden und geschundenen Bevölkerung in den belagerten Städten und überfüllten Flüchtlingsunterkünften in Kroatien abgelenkt werden?

Boutros Ghali scheint seiner Aufgabe an der Spitze der UNO nicht gewachsen. Was jetzt not tut, hat der italienische Außenminister de Michaelis formuliert: eine begrenzte militärische Intervention zur Sicherung der humanitären Hilfe, Ausschaltung der Luftwaffe und der weitreichenden Raketenwerfer, die auf Sarajevo und andere Städte schießen. Daß die serbische Soldateska in Bosnien- Herzegowina sich durch die Sanktionen gegen Serbien nicht beeindrucken läßt, verringert die Schuld Milosevićs und serbischer Generäle um kein Jota. Dunja Melcic

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