: Verwirrende Verwechslungen
■ Betr.: Wieder auftauchen" (Filmbesprechung von J. Campions "Das Piano"), taz vom 12.8.93
betr.: „Wieder auftauchen“ (Filmbesprechung von J. Campions „Das Piano“), taz vom 12.8.93
Abgesehen davon, daß ich diese Besprechung insgesamt als unbefriedigend und offensichtlich schnell heruntergeschrieben empfand (was ja durchaus mal vorkommen kann), sind es vor allem zwei Dinge, die mir in ihrer Ungenauigkeit verwirrend und verzerrend, wenn nicht geradezu falsch erscheinen.
Zum einen scheint sich die Verfasserin nicht entscheiden zu können, wo der Film eigentlich spielt: Im ersten Abschnitt spricht sie von der Ankunft der Protagonistinnen in Neuseeland, im nächsten von der Brutalität dieser australischen Landschaft, in der sie dann allerdings Maori, die Entdecker und ersten Besiedler Neuseelands, lokalisiert, deren Proträt sie jedoch verzerrt findet, was sie wiederum erstaunt, da J. Campion doch in Australien aufgewachsen sei. In Australien sind allerdings nicht die Maori zu Hause, sondern Aboriginals – und diese beiden Ethnien sind nur im Lichte ziemlicher Unkenntnis zu verwechseln. Etwas übertrieben klingt das so, als verlange man von Virginia Woolf, sie müsse über amerikanische Indianer schreiben können, weil sie doch immerhin in England aufgewachsen sei. Was ich dabei besonders ärgerlich finde, ist die nonchalance, mit der die Verfasserin nach der Demonstration ihrer eigenen Ahnungslosigkeit bezüglich der geographischen, historischen und ethnischen Gegebenheiten die Filmemacherin bzw. ihre Darstellung der Maori so kurz und unreflektiert abkanzelt.
Und das, mein zweiter Einwand, zu allem Überfluß auch noch mit einer ins Gegenteil verkehrten Begrifflichkeit: Sie behauptet, auch Campion käme nicht ohne „diese Art von Rousseauismus“ aus, bei der die „Wilden“ als „dumpfe brut“ dargestellt würden – nur ist das eben gerade nicht Rousseauismus, der nämlich impliziert die Darstellung des „Wilden“ als „edel“ und dem zivilisationsverformten Europäer moralisch überlegen. Vielleicht ist es also eher der Wunschblick Frau Niroumands, der von einer Rousseauischen Prägung zeugt und den sie hier nicht deutlich genug bestätigt findet...
Einiges wäre noch zu sagen, da die Besprechung meiner Meinung nach weder auf den Kern des Films (das Prinzip „Handel“ als Wohl und Wehe – ersteres in der Subjektwerdung Adas als gleichberechtigter Handelspartnerin, nicht mehr als bloße Ware und zweiteres in der „Enteignung“ der Maori durch den Landverkauf) noch auf einige seiner Fragwürdigkeiten eingeht (z.B. das Prinzip Märchenprinz, das auf die geglückte Integration in Gesellschaft und Kleinfamilie zuführt). Doch das nur nebenbei. Xenia Engel, Klein Lengden
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