Verteidigungsministerium in der Kritik: Nutzlose und teure Waffenschau
Der Bundesrechnungshof kritisiert Geldverschwendung bei der Wehrtechnischen Studiensammlung und bei der Anschaffung von Lenkflugkörpern.
Die 1962 gegründete Studiensammlung soll offiziell den technischen Fortschritt bei der Entwicklung von Wehrmaterial dokumentieren, der Aus- und Weiterbildung sowie der Nachwuchswerbung der Bundeswehr dienen. Doch der Nutzen ist höchst zweifelhaft. Zur Aus- und Fortbildung wird sie kaum genutzt, und mit gerade mal 12.000 zahlenden Besuchern im Jahr hält sich auch das öffentliche Interesse in Grenzen.
„Nach 50 Jahren Wehrtechnischer Studiensammlung hat die Bundeswehr lediglich ein ‚begehbares Depot‘ mit geringem Nutzen und wenig Interesse bei der Bevölkerung vorzuweisen“, heißt es in einem am Mittwoch veröffentlichten Bericht des Bundesrechnungshofs.
Bereits 2010 hatte der Rechnungsprüfungsausschuss im Haushaltsausschuss des Bundestages das Verteidigungsministerium aufgefordert, eine Entscheidung über den Fortbestand der teuren Wehrtechniksammlung zu treffen. Das Ergebnis: Im Oktober vergangenen Jahres legte das dem Ministerium unterstellte Bundesamt ein „Konzept für die zukunftsgerichtete Fortführung“ vor – das noch wesentlich mehr Geld verschlingen würde, weil unter anderem das bisher genutzte Gebäude wegen baulicher Mängel aufgegeben und durch einen Neubau ersetzt werden müsste.
Kosten von mindestens 77 Millionen Euro würde die Weiterführung in den nächsten sieben Jahren kosten. Für die Auflösung der Sammlung, „für die offensichtlich kein Bedarf“ bestehe, veranschlagt der Bundesrechnungshof hingegen höchstens 16,6 Millionen Euro. Das Verteidigungsministerium müsse „nun entscheiden, ob es für über 60 Mio. Euro Mehrkosten eine neue Studiensammlung aufbauen will, die dauerhaft jährlich 4,8 Mio. Euro kostet und deren Konzept und Nutzen nach wie vor weitgehend unklar sind“.
Millionen für defekte Lenkflugkörper
Ebenfalls millionenschwere Geldverschwendung wirft der Bundesrechnungshof dem Verteidigungsministerium in einem weiteren am Dienstag veröffentlichen Bericht vor. Dabei geht es um einen Rüstungsauftrag der Marine. 2005 hatte die Bundeswehr für 60 Millionen Euro von der deutschen Waffenschmiede Diehl Defence und dem schwedischen Rüstungsfirma Saab Bofors Dynamics Lenkflugkörper als Hauptbewaffnung für ihre Korvetten gekauft. 2009 sollten sie einsatzbereit sein. Doch daraus wurde nichts. Nicht nur, dass die Lenkflugkörper erst Jahre später, nämlich von September 2011 bis Dezember 2012, geliefert wurden. Sie funktionierten auch nicht korrekt.
Nachdem es ohne vorherige Einsatzprüfung die sichere Inbetriebnahme erklärte hatte, zahlte das Bundesamt für Wehrtechnik und Beschaffung bis Ende 2012 trotzdem den vollständigen Kaufpreis. Die Einsatzprüfung folgte bei einem Manöver vor Norwegen im Mai 2013 – und ging schief. Zwei Flugkörper stürzten ins Meer, der eine wegen eines technischen Fehlers, der andere wegen Problemen bei der Treibstoffversorgung.
Zwei Jahre dauerte es, bis die nächste Einsatzprüfung stattfinden konnte – diesmal war sie „im Wesentlichen erfolgreich“. Seitdem sind die Rüstungsunternehmen damit beschäftigt, bei allen gelieferten Lenkflugkörpern die bei der ersten Prüfung aufgetretenen Mängel abzustellen. Dies soll bis September 2016 abgeschlossen sein wird. Im Juni 2015 gab die Bundeswehr die Flugkörper für die Nutzung von Seezielen frei. Die ebenfalls zum Anforderungsprofil gehörende Landzielfähigkeit fehlt allerdings bislang, da die GPS-Navigationskomponente immer noch fehlerhaft arbeitet.
„Unnötige Risiken übernommen“
Die Wiederholung der Einsatzprüfung habe den Bund „mehrere Millionen Euro“ gekostet, moniert der Bundesrechnungshof. Denn der Kaufvertrag habe der Bundeswehr keine Möglichkeit gegeben, den Hersteller an den Kosten der Tests zu beteiligen. Der Grund: Das Verteidigungsministerium hatte die aberwitzige Auffassung vertreten, die Einsatzprüfung sei „ausschließliches Interesse“ des Auftraggebers und müsse deswegen alleine von der Bundeswehr und nicht den Rüstungsfirmen getragen werden, selbst wenn deren Fehler zusätzliche Prüfungen notwendig machten.
„Die Bundeswehr hat mit dem Abschluss des Kaufvertrags unnötige Risiken übernommen“, heißt es in dem Bericht der Rechnungsprüfer. Zukünftig solle das Ministerium von Ursula von der Leyen (CDU) Verträge so gestalten, dass Entwicklungsrisiken „angemessen berücksichtigt“ und Folgekosten verursachungsgerecht verteilt werden, fordert der Bundesrechnungshof.
Kostenreduzierung genießt beim Verteidigungsministerium allerdings nicht unbedingt die höchste Priorität. Warum auch? Mitte März verkündete Bundesfinanzminister Wolfgang Schäuble (CDU, dass nach den Planungen des Bundeskabinetts der Verteidigungsetat im kommenden Jahr um 1,7 Milliarden Euro auf 36,61 Milliarden Euro steigen soll. Bis 2020 soll er auf auf 39,18 Milliarden Euro anwachsen.
taz lesen kann jede:r
Als Genossenschaft gehören wir unseren Leser:innen. Und unser Journalismus ist nicht nur 100 % konzernfrei, sondern auch kostenfrei zugänglich. Texte, die es nicht allen recht machen und Stimmen, die man woanders nicht hört – immer aus Überzeugung und hier auf taz.de ohne Paywall. Unsere Leser:innen müssen nichts bezahlen, wissen aber, dass guter, kritischer Journalismus nicht aus dem Nichts entsteht. Dafür sind wir sehr dankbar. Damit wir auch morgen noch unseren Journalismus machen können, brauchen wir mehr Unterstützung. Unser nächstes Ziel: 40.000 – und mit Ihrer Beteiligung können wir es schaffen. Setzen Sie ein Zeichen für die taz und für die Zukunft unseres Journalismus. Mit nur 5,- Euro sind Sie dabei! Jetzt unterstützen
meistkommentiert
Greenpeace-Mitarbeiter über Aufrüstung
„Das 2-Prozent-Ziel ist willkürlich gesetzt“
Keith Kelloggs Wege aus dem Krieg
Immer für eine Überraschung gut
Ampel-Intrige der FDP
Jetzt reicht es sogar Strack-Zimmermann
Rauchverbot in der Europäischen Union
Die EU qualmt weiter
Antisemitismus in Berlin
Höchststand gemessen
Rechtspopulistinnen in Europa
Rechts, weiblich, erfolgreich