: Versuche mit allen Verlangen
■ Einfühlsame Studie: Die Sache mit Danielle von Sylvie Banuls
Das erste Bild, das die Filmemacherin Sylvie Banuls von Danielle hatte, ist zwanzig Jahre alt: die Winzerin beim Boule-Spiel, die einzige Frau zwischen Männern. Danielles Umfeld ist das Dorf Peyrache, ein paar enge Gassen zwischen alten Feldstein-Mauern, im Süden Frankreichs, kurz vor den Alpen. Ganz aufgehoben zwischen ihrer Familie und der Dorfgemeinschaft lebt Danielle hier, und es tut nichts zur Sache, daß sie Frauen liebt.
Mit der Vorsicht großer, gewachsener Kenntnis nähert Sylvie Banuls sich in ihrem Dokumentarfilm Die Sache mit Danielle ihrer Hauptfigur und dem Geflecht ihrer sozialen und emotionalen Bindungen: Da ist Elie, der stille, freundliche Mann, mit dem Danielle seit dreißig Jahren verheiratet ist und drei Kinder hat. Seine Schwägerin nennt ihn den „Weisen des Dorfs“, und sein abgeklärtes, durchaus selbstkritisches und dabei still glückliches Wesen ist eine Bereicherung für die, die mit ihm leben. Da sind die Kinder, Christèle, Clarisse und Christophe, alle längst erwachsen. Und da ist Bertie, die Holländerin, mit der Danielle seit vier Jahren eine Beziehung hat. Mit ihr lebt Danielle, und trotzdem treffen sich morgens vor der Arbeit in den Weinbergen alle Familienmitglieder, nur ein paar Türen weiter, im „Elternhaus“, das Elie jetzt allein bewohnt, zum Frühstück.
Diese Selbstverständlichkeit ist eine lang und schwer erarbeitete; die Abstimmung der verschiedenen Bedürfnisse, Bedürftigkeiten, Wünsche und Ängste ein jahrelanger Prozeß. Bertie ist nicht ihre erste Freundin, und trotzdem kann Danielle sagen: „Elie und ich, wir haben das Grundlegende nie in Frage gestellt.“ Was dieses Grundlegende ist, macht der Film deutlich, auch ohne es zu erklären: die stille Nähe, die Verbundenheit, die Wichtigkeit, die eher geschwisterliche Liebe. Bevor Elie ein wichtiges Treffen mit Kollegen hat, steht Danielle auf der Terrasse des Hauses, in dem sie mit Bertie lebt und bügelt ihm ein weißes Hemd. „Ich bügele nie für Elie“, sagt sie, „nur, wenn ich mir wünsche, daß er schön ist“, und trägt das Hemd durch das Dorf zu ihrem Mann. Für Bertie ist die Bedeutung, die ihre Familie für Danielle hat, schwierig: Das Gleichgewicht bleibt problematisch, ihre Bedürfnisse sind andere.
Sylvie Banuls hat sich für ihren Film viel Zeit gelassen, und die Gelassenheit, mit der sie die Menschen aus Peyrache porträtiert, füllt auch die Bilder ihres wunderbaren Films über die Suche nach Glück und die Verwirklichung von Sehnsucht. „Ich liebe es, geliebt zu werden“, sagt Danielle, und braucht sich, mit ihrer Mischung aus Wärme, Kraft und Egoismus, deshalb wirklich keine Sorgen zu machen.
Thomas Plaichinger
Abaton
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