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Versicherungen für Schwule

■ Der Gerling-Konzern bietet homosexuellen Männern eine spezielle Lebensversicherung an. Verbraucherschützer halten die Police für nicht sehr günstig. Schwule gelten als Nischenmarkt

Hamburg (taz) – Wer als Schwuler eine Lebensversicherung abschließen will, muß meist mehr zahlen als andere Kunden. „Wir werden von der Assekuranz diskriminiert“, klagt Karl-Heinz Hagendorf, Geschäftsführer des Schwulenverbandes in Deutschland (SVD). Zwar ist die direkte Frage nach der Sexualität rechtlich unzulässig. Aber viele Versicherungsunternehmen würden den Kunden subtil befragen, wenn er einen Mann als Begünstigten einer Lebens-Police einsetzt. Oft wird ein HIV-Test anberaumt und zuletzt werden Schwule in eine „schlechte Risikoklasse“ gesteckt. Das Ergebnis: Die Beiträge sind höher als bei Heterosexuellen oder die Leistungen schlechter, so Hagendorf.

Abhilfe verspricht jetzt der Gerling-Konzern. Er bietet die erste Lebensversicherung extra für homosexuelle Männer. Vorbei sei es nun mit diskriminierenden Fragen und dem Verlangen nach einem Aidstest, heißt es. „Schwule sind eine interessante Zielgruppe“, so ein Sprecher des Konzerns.

Erfinder dieses „ersten Produkts“ für Schwule ist der Hamburger Versicherungsmakler Jürgen Rochlitz. Nicht allein eine Gleichbehandlung mit Heteros wird versprochen. Das Gerling- Rochlitz-Produkt „Vario“ bietet eine spezielle Palette von der Kapitallebens- bis zur Rentenversicherung. Weil beispielsweise keine Waisenrente in die Lebensversicherung integriert werden müsse, biete „Vario“ bessere Konditionen als die Normprodukte, wirbt Gerling.

Grundsatzkritik kommt von Verbraucherschützern. Zwar sei die Finanz-Gleichbehandlung begrüßenswert. Doch finde hier tatsächlich eine Angleichung auf unterem Niveau statt, so ihr Urteil. Eine Kapitallebensversicherung ist für die meisten Leute nämlich unrentabel. Wer – wie üblich – mit einer Lebens- oder Rentenversicherung für spätere Zeiten ansparen will, sei häufig schlecht beraten. Andere Finanzprodukte – je nach Anlagestrategie können dies Bundeswertpapiere, Renten- oder Aktienfonds sein – würden im Vergleich mit Lebensversicherungen häufig besser abschneiden, sind sich die Konsumentenvertreter einig.

Seit der Öffnung des Europäischen Versicherungs-Binnenmarktes im Sommer 1994 können die Anbieter von Policen unterschiedliche Risikogruppen bilden. So schlagen Nichtraucher gelegentlich günstigere Konditionen heraus. Schon lange sind die Ablaufleistungen für Frauen bei Kapitallebensversicherungen um einige tausend Mark höher als für Männer. Der Grund: Frauen leben länger. Die versicherungsmathematische Lebenslänge von Schwulen wird bislang uneinheitlich beurteilt. Risikofaktoren wie Aids steht möglicherweise ein größeres allgemeines Gesundheitsbewußtsein gegenüber, heißt es.

Die Assekuranz hat Schwule längst als Zielgruppe erkannt – klammheimlich. So makelt die Firma ComVers handelsübliche Versicherungsprodukte von Aspecta speziell für Schwule. Diskriminierungsfrei seien auch die angebotenen Kfz-, Haftpflicht- oder Krankenversicherungen. Die weitgehend unbekannten Aspecta- Produkte stammen aus einem Tochterunternehmen von HDI, einem Gemeinschaftsunternehmen namhafter deutscher Versicherungskonzerne. Hermannus Pfeiffer

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