Verschwundende Tennisspielerin: Von der Macht des Sports

Die Volksrepublik lässt die Profitennisspielerin Peng Shuai verschwinden. Um sich den Sport einzuverleiben, riskiert die Kommunistische Partei eine Machtprobe.

Tennisprofi Peng Shuai retourniert einen Ball

Peng Shuai bei den Madrid Open 2018 Foto: Vera/reuters

Auch wenn sich derzeit vieles noch nicht erklären lässt, so verbieten sich dennoch Zweifel: Die Profitennisspielerin Peng Shuai ist massiver Repression seitens des chinesischen Staates ausgesetzt. Das ist sie, weil sie öffentlich gemacht hat, dass sie vergewaltigt wurde. Und weil der Täter nach bisherigem Kenntnisstand ein hoher Staatsfunktionär, damaliger Vizepremierminister, ist.

Zweifel an Pengs Geschichte verbieten sich schon deswegen, weil die Volksrepublik sich gar nicht um eine andere Version der Geschichte bemüht. Vielmehr wird Peng schlicht zum Schweigen gebracht: In China sind alle Medien, die darüber berichten gesperrt. Der Sprecher des Außenministeriums sagt, er wisse nichts, da gebe es nichts. Und von Peng wird eine angebliche Mail verschickt, die als Fälschung sehr leicht erkennbar ist und wirklich nicht von Peng selbst stammen kann.

Was bleibt, ist die sehr schwierige Frage, warum der Apparat der KP China das macht. Warum lassen die nicht eine subalterne Figur wie einen früheren Vizepremier fallen, zumal der sich ja wohl erkennbar eines Verbrechens schuldig gemacht hat? Sie KP macht das nicht, und dafür muss es ja Gründe geben.

Peng Shuai stellt ganz offensichtlich eine Gefahr für die Volksrepublik dar. Sie ist gefährlich, weil sie eine Geschichte erzählt, die die Mär von integren Parteifunktionären widerlegt. Sie ist dies auch, weil sie als Weltklassesportlerin, die schon Wimbledon gewonnen hat, eine Kosmopolitin ist, eine Repräsentantin der Weltöffentlichkeit, die, wie es bei solchen Menschen üblich ist, auch über einen Twitteraccount verfügt, dem auch gefolgt wird.

Machtkampf zwischen Sport und Repression

Die KP-Funktionäre wollen sich mit Spitzensportlern und -sportlerinnen schmücken, sie wollen so tun, als ob deren Erfolge die Überlegenheit ihres Systems belegen. Es geht ihnen also um eine in jedem politischen System sehr übliche Instrumentalisierung des Sports, einerseits. Andererseits wollen gerade Regime wie das chinesische (oder manch anderes autoritäres Regime) den sehr liberalen und weltoffenen Charakter des Weltsports nicht akzeptieren. Sie stellen sich das so vor, dass Spitzensportlerinnen wie Peng quasi als Marionetten ihres Systems durch die Welt reisen. Wogegen Peng schon deswegen etwas haben muss, weil ihr solches Gebaren schaden würde.

So gesehen ist Peng Shuai also ins Zentrum eines Machtkampfs gerückt und droht sein Opfer zu werden – vermutlich und leider ist das schon. Es ist der Machtkampf zwischen der zur Weltmacht in Sport und Politik aufgerückten Volksrepublik und der politischen und gesellschaftlichen Macht des Sports.

Der Sport, genauer: Pengs herausgehobene Stellung im Welttennis erlaubt es ihr, ihre Geschichte von dem Vizepremier zu erzählen. Sie findet eine Öffentlichkeit, was etwa einer chinesischen Studentin, die Ähnliches mit einem Professor erlebt hat, oder einer Arbeiterin, die so etwas mit einem Manager durchmachen musste, nicht gelingen würde. Die Staatsfunktionäre glauben, mit der Weltkassesportlerin verfahren zu können, wie sie sonst mit der Studentin oder der Arbeiterin verfahren.

Das könnte die unglaublich brutale und auf den ersten Blick unverständliche Repression erklären: Dass die Funktionäre nicht wollen, dass das Verbreiten solcher Geschichten einreißt. Daher darf niemand in China etwas davon erfahren. Peng Shuai wird aus dem Verkehr gezogen, damit niemand auf die Idee kommt, auch seine und ihre persönliche Geschichte von schlimmer Unterdrückung zu erzählen.

Der Sport, das ist vielleicht das einzig tröstliche an dieser großen Tragödie, die Peng erleidet, bietet immerhin einigen Menschen die Möglichkeit, sich von solchen Unterdrückern zu befreien und damit anderen Menschen zu zeigen, was möglich ist.

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Jahrgang 1964, freier Mitarbeiter des taz-Sports seit 1989

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