: Verquere Diskussionsweise
■ betr.: "Das Grün-Rote ist nicht aufgebraucht " (Interview mit Wolfgang Sröbele), taz vom 17.11.90
betr.: „Das Grün-Rote ist nicht aufgebraucht“ (Interview mit Christian Ströbele),
taz vom 17.11.90
In dem Interview ist für mich der schlimmste Satz enthalten, den ich je einen grünen Politiker im Zusammenhang mit Häuserräumungen habe sagen hören. Ströbele sagt über die Berliner Räumungen: „Das Schlimme ist auch nicht, daß es vielleicht nachher nicht anders gegangen wäre, sondern das Schlimme ist, daß man es nicht versucht hat, und das sollte anders sein.“
Das heißt: Eine Räumung mit 4.000 Bullen, Panzern, Blendschockgranaten, Gummigeschossen, über 400 Verhafteten und den meisten Verletzten nachdem sie gefangen genommen wurden, ist dann in Ordnung, wenn vorher (ergebnislos, aber ernsthaft) verhandelt wurde. Es ist ja richtig, wenn Ströbele sagt, man muß mit denen reden, die Barrikaden bauen; aber, wenn diese Gespräche scheitern, darf man dann draufhauen?
Diese ganze Diskussionsweise ist auch deshalb so grundsätzlich verquer, weil sie lediglich die Verlaufsformen der Räumung in den Vordergrund der Kritik stellt und nicht die Tatsache, daß überhaupt angesichts tausender Wohnungsloser von staatswegen, geplant und gerade gegen einen bestimmten Personenkreis gerichtet, weitere Menschen obdachlos gemacht wurden. Der eigentliche Hintergrund dürfte doch der sein, daß sich die europäischen Regierungen bei den TREVI-Konferenzen darauf geeinigt haben, jede Form von Hausbesetzungen bis 1992 zu beseitigen. Diese Planungen können jetzt, nach dem Anschluß der DDR, voll verwirklicht werden.
Das ganze läuft auch hier in Hamburg gegen die Hafenstraße und ist nach den Berliner Räumungen durch das Gerücht, die Hafenstraße verbarrikardiere sich, sofort erneut forciert worden.
Doch von diesem Zusammenhängen will Ströbele nichts wissen. Ihm ist es wichtiger die AL Berlin schon wieder in die nächste Koalition hineinzuquatschen. Damit offenbart sich der jetzige Koalitionsausstieg als das, was er eigentlich sein soll: Der heroische Schlenker für die Blöden, die immer noch glauben, die AL halte an gewissen Positionen fest und könne deshalb gewählt werden. Frank Frind, Mitglied im Initiativkreis zum Erhalt der Hafenstraße, Hamburg
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