: Verpestete Staaten
■ Der Schriftsteller Peter Handke engagiert sich für Mumia Abu-Jamal
Einen Monat vor dem geplanten Hinrichtungstermin, am 17. Juli, hatte das Schriftstellerparlament in Straßburg eine Resolution verabschiedet, in der eine Aufhebung des Todesurteils gegen Mumia Abu-Jamal und die Wiederaufnahme des Verfahrens gefordert werden. „Mumia Abu-Jamal ... ist schuldig gesprochen worden, einen weißen Polizisten ermordet zu haben“, heißt es in dem Appell, „der Prozeß war nachlässig und unfair gegenüber dem Angeklagten geführt worden. Das Urteil basierte auf Zeugenaussagen, die unter Polizeidruck abgegeben worden waren.“ Mehr als 500 Schriftsteller unterschrieben, neben Pierre Bourdieu, Elfriede Jelinek, Toni Morrison, Harold Pinter, José Saramago, Mohamed Harbi und Breyten Breytenbach auch ein Autor, den seit mehr als 20 Jahren, seit er zu Beginn der 70er Jahre aus seiner Rolle als Revoluzzer-Darling und Popstar seiner Generation fiel, niemand mehr mit öffentlichem Engagement, am wenigsten mit Resolutionen in Verbindung gebracht hat: Peter Handke.
„Ja, gegen die Hinrichtung des Abu-Jamal habe ich unterschrieben“, ließ er die taz auf Anfrage wissen, „trotz der Sinnlosigkeit und der blöden Leuchtschrifthaftigkeit solcher kleinen Aktionen – ich hätte den Namen Abu-Jamal auch zu Steinen zusammenlegen können in irgendwelchem unzugänglichen Walddickicht, aber irgend etwas hatte zu geschehen, auch wenn's nicht zählt. Ein Land mit Todesstrafe ist kein Menschenland. Frankreich ist für mich erst bewohnbar, seit, vor gar nicht langem, die Todesstrafe abgeschafft wurde. Und das gleiche geschah nun endlich in Südafrika. Es ist ein Land geworden. Die Staaten in den USA, wo die Todesstrafe gilt oder wieder gilt, sind verpestet. So war es weniger der besondere politische Fall, als, wieder einmal und immer, die Todesstrafe. Aber wer weiß, vielleicht ist es doch der besondere Mensch Abu-Jamal auch. Das ist meine Sache.“
Bereits Ende der 60er Jahre hatte sich der gelernte Jurist Handke zu einem öffentlichen Verfahren geäußert. In der „Bemerkung zu einem Rechtsurteil“, vorgelesen anläßlich der Verleihung des Gerhart-Hauptmann- Preises, stehen die Sätze: „Das Urteil macht aufmerksam auf die bedenkliche Haltung von Richtern, die die Gesetze als rein formale Normen über Handlungen und Unterlassungen sehen, die das Recht von gesellschaftlichen Handlungen isolieren wollen und es auf diese Weise nur schmalspurig, statisch, absolut und absolutistisch machen.“
Was wie ein Kommentar zum Urteil gegen Abu-Jamal klingt, war 1967 aus „Traurigkeit und Wut“ über den Freispruch des Polizeibeamten Kurras geschrieben worden (der den Studenten Benno Ohnesorg getötet hatte). Handkes Fazit: „Der Rückzug auf das Recht in politischen Prozessen ist die Politik der Richter.“ taz
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