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Verkehrtes Bild

■ Eine iranische Rushdie-Rezension

Der folgende Text ist die gekürzte Version einer Rezension der „Satanischen Verse“, die in der führenden Kultur -Wochenzeitung Teherans, 'Kayhan Farangi‘, drei Monate vor Khomeinis „Todesurteil“ über Salman Rushdie erschien. Kenner der Szene sind sich einig, daß zur Leserschaft der Zeitung auch die Männer der herrschenden Kreise gehören; die Rezension eines Buches mit dem Titel „Satanische Verse“ dürfte ihnen nicht entgangen sein, zumal sie aus der Feder eines der einflußreichsten Literaturkritiker im Iran stammte. (Dieser Text ist nicht in 'Index on Censorship‘ enthalten.)

Der Schriftsteller Salman Ruhdie ist 1949 in einer moslemischen indischen Familie in Bombay geboren und lebt seit langem in Großbritannien. Er hat in Großbritannien viele Literaturpreise gewonnen und ist von den literarischen Kreisen des Landes als Schriftsteller anerkannt.

Rushdies Roman Mitternachtskinder und Scham sind mit wichtigen Preisen ausgezeichnet und in 20 Sprachen übersetzt worden, einschließlich Farsi (Persisch). Der Übersetzer von Scham hat den Preis für die beste Übersetzung des Jahres bekommen. Selbstverständlich bedeutet diese Auszeichnung nicht, daß der Übersetzer ein Komplize Rushdies ist.

Rusdies Romane sind voller Symbolismus bezüglich zeitgenössischer Politik. Mitternachtskinder behandelt die moderne Geschichte Indiens,Scham bezieht sich auf den pakistanischen Staat. Rushdie hat auch ein Buch über Nicaragua geschrieben. Einige Kritiker halten die Satanischen Verse jetzt für eine direkte Reaktion auf den heutigen Iran. In ihm sind Anspielungen und Reaktionen auf die Islamische Revolution enthalten; dennoch richtet das Buch seine Aufmerksamkeit mehr auf den Islam als auf den Iran.

Die Satanischen Verse enthalten eine Anzahl falscher Interpretationen des Islam und geben ein verkehrtes Bild vom Koran und dem Propheten Mohammed wieder. Ohne den geringsten künstlerischen Wert zeichnet es karikierende und verdrehte Darstellungen islamischer Prinzipien.

Tatsache ist, daß Rushdies künstlerische und moralische Degradierung so weit geht, die Entlassung Balal Habashis durch den Propheten Mohammed lächerlich zu machen, eine Episode, die das Antlitz der Liebe im Iran demonstriert. DieSatanischen Verse sind voll mit vielen ähnlich satanisch denkenden Kommentaren zum Islam und zu unseren religiösen Führern; dies alles zeigt nur, daß Rushdie vom Gnadenstand des Schriftstellers mit einem großen Wissen über den Islam in den Zustand totaler moralischer Degradierung gefallen ist.

Unmittelbar nach der Veröffentlichung dieses Buches beeilten sich die Literaturpreis-Jurys im Westen, es als beste literarische Arbeit der letzten Jahre auszuzeichnen, und nominierten Rushdie für den Booker-Preis.

Falls Rushdie jedoch vorgehabt haben sollte, eine Kontroverse um sein Buch entstehen zu lassen - was der Westen gerne hätte -, und dadurch von seinem Mangel an literarischem Talent abzulenken, hier ist sie: Zwei indische Parlamentsabgeordnete haben sich bei den Behörden beschwert und gefordert, das Buch zu verbieten; man nimmt an, daß die indische Regierung dieser Forderung nachgekommen ist. Die britischen Behörden haben den eineinhalb Millionen in ihrem Land lebenden Moslems zugesagt, sie würden alles in ihrer Macht stehende tun, um das Buch zurückzuweisen. Mehr als 282 Moscheen in Großbritannien sind von der Angelegenheit informiert worden.

Rushdie jedoch ... besteht darauf, daß sein Buch nichts anderes ist als ein Werk der Phantasie, die der Geburt einer der großen Religionen nachgeht, und zwar vom Standpunkt eines säkularen Individuums. Seiner Ansicht nach wird es in den kommenden Wahlen in Indien von größter Wichtigkeit sein, wer die Herzen und Köpfe der 100 Millionen Moslems des Landes gewinnt, und er glaubt daher, daß sein Buch zum Spielball der Politik geworden sei.

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