KOMMENTAR: Verkehrspolitik privatisiert
■ Vorfahrt für die Wirtschaft, nicht für die Stadt
Die Große Koalition hat einen Hang zu symbolischer Politik. Über die Durchfahrung des Brandenburger Tores wird mit hochrotem Kopf gestritten, als gäbe es keine ernsteren Probleme. Anders bei wirklichen Zukunftsfragen der Stadt. Die Aufhebung der Stellplatzverordnung vor allem damit zu begründen, damit werde ein Investitionshemmnis für kleine Unternehmen beseitigt, dokumentiert auf groteske Weise, welch verkehrspolitische Geisterfahrer das Fraktionsführer-Gespann Staffelt (SPD) und Landowsky (CDU) sind. Schließlich kann es nicht darum gehen, ob kleinere Unternehmen in der Lage sind, für jeden nicht gebauten Parkplatz 40.000 Mark Ablöse zu zahlen. Im Interesse einer menschenverträglichen City muß das Ziel vielmehr sein, Parkraum im Stadtzentrum ersatzlos zu vernichten und keine neuen Parkplätze mehr zuzulassen. Mit der Koalitionsvereinbarung aber wird dies Ziel überhaupt nicht angesteuert; vielmehr wird auch weiterhin den Unternehmen die Verkehrspolitik überlassen: Wer zahlen kann und will, darf die Stadt auch in Zukunft mit Parkplätzen vollstopfen. Noch gut in Erinnerung ist schließlich, daß Daimler-Benz am Potsdamer Platz nicht um die Ablösesumme für nicht errichtete Parkplätze feilschte, sondern möglichst viele davon bauen wollte. Andere Städte haben dagegen längst zu drastischen Mitteln gegriffen. Berlin verlangt für jeweils 40 Quadratmeter Bürofläche einen Stellplatz — Zürich läßt dagegen nur für jeweils 200 Quadratmeter Bürofläche einen Stellplatz zu, London gar nur für jeweils 1.250 Quadratmeter angebotener Geschäftsfläche. Die SPD-CDU-Koalition, die auch beschloß, die leerstehenden City- Parkplätze von Unternehmen am Abend für Kinobesucher zu öffnen, macht das Auto immer noch zum Maß der Dinge. Die kassierten Ablösesummen für den Ausbau des öffentlichen Nahverkehrs auszugeben ist deshalb nur ein Hohn. Gerd Nowakowski
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