: Verhandlungen um 3,7 Prozent Land
■ Bosnien-Gespräche in Genf gehen weiter / Die Kalküle der EU-Staaten
Genf (taz) – Auch am dritten Tag hat die neue Genfer Bosnienrunde keine konkreten Ergebnisse erbracht. Allerdings gab es Hinweise auf Annäherungen zwischen den Delegationen der drei Kriegsparteien sowie eine positivere Bewertung der Verhandlungen durch einige Teilnehmer als noch am Dienstag. Entgegen der ursprünglichen Terminierung dieser Runde auf drei Tag soll heute und vielleicht auch am Freitag weiterverhandelt werden.
Nach einem bilateralen Treffen zwischen den Delegationen der bosnischen Regierung und der bosnischen Kroaten sprach der New Yorker UNO-Botschafter Bosniens, Sacirby, am Nachmittag von „konstruktiven Gesprächen “. Dabei habe die Regierungsdelegation neue Vorschläge für den wieder umstrittenen Landzugang einer künftigen bosnisch-muslimischen Teilrepublik zur Adriaküste gemacht. Auf einer Karte, die die Delegation gestern in Genf auf den Verhandlungstisch legte, besteht dieser Zugang lediglich aus einer vierspurigen Straße und nicht – wie früher einmal verlangt – aus einem mehrere Kilometer breiten Landkorridor. Auf der Karte sind im übrigen die 3,7 Prozent zusätzliches Gebiet eingezeichnet, die die bosnischen Muslime auch nach Forderung der EU noch von den bosnischen Serben erhalten sollen.
Die Forderung nach zusätzlichen 3,7 Prozent Land für die künftige bosnisch-muslimische Teilrepublik hat sich auch die EU in ihrem „Aktionsplan“ zu eigen gemacht. Gerüchte, wonach die Serben bei den gestrigen Verhandlungen die Bereitschaft erkennen ließen, 3,5 Prozent Land abzugeben, wurden vom Sprecher der beiden UNO/EU-Vermittler Stoltenberg und Owen, Mills, zunächst nicht bestätigt.
Genfer Diplomaten aus EU- Staaten machen informell keinen Hehl daraus, daß sie die Verhandlungen unter allen Umständen vor dem Beginn der griechischen EU- Präsidentschaft am 1. Januar mit einem wie auch immer gearteten Abkommen besiegeln wollen. Ob dieses Abkommen den Interessen der Hauptopfer des bosnischen Krieges, der Muslime, auch nur annähernd gerecht wird und ob es über das Frühjahr 94 hinaus Bestand hat, spielt kaum eine Rolle mehr. Als mögliches Szenario wird in Genf die Unterzeichnung eines Abkommens gleich nach den Wahlen in Serbien am 19. Dezember ins Auge gefaßt. Das Kalkül: Bis zu diesem Termin reicht Milošević die vage Bereitschaftserklärung des EU-„Aktionsplanes“ zur Lockerung der Sanktionen aus, um die Wahlen zu gewinnen. Zum jetzigen Zeitpunkt massiven Druck auf Karadžić auszuüben, um diesen zu Konzessionen an die Muslime zu zwingen, könne dem Präsidenten am Wahltag jedoch schaden. Andreas Zumach
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