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Verhandelte Chirac mit libanesischem Untergrund?

■ Paris wollte angeblich auf Anklage gegen den Libanesen Abdallah verzichten USA drängte auf Prozeß / Enthüllungen der Satirezeitung Canard Enchaine

Paris (ap)– Die französische Regierung soll vor einiger Zeit mit den Libanesen verhandelt haben, denen jetzt die neue Welle von Bombenanschlägen in Paris zur Last gelegt wird. Das satirische Wochenblatt Le Canard Enchaine, schrieb in seiner am Mittwoch erschienenen Ausgabe, Ministerpräsident Jacques Chirac habe vom Geheimdienst DST Kontakt zu den „Libanesischen bewaffneten revolutionären Gruppen“ (FARL) aufnehmen lassen, die sich bereits zu einer Serie von Anschlägen im März bekannt hatten. Dem Bericht zufolge sollen jedoch Amerikaner ein Vorhaben der Regierung blockiert haben, weitere Anklagen gegen den in Frankreich inhaftierten mutmaßlichen FARL–Anführer Georges Ibrahim Abdallah fallenzulassen und sich damit Wohlverhalten der Terroristen zu erkaufen. Chirac kam durch den Sieg seiner Konservativen bei der Wahl vom 17. März an die Regierung. Einen Tag nach der Wahl explodierte eine Bombe in einem Hochgeschwindigkeitszug, drei Tage später ging ein Sprengsatz in einer Pariser Ladenpassage hoch, eine weitere wurde in der Untergrundbahn entdeckt. Laut Le Canard Enchaine kam mit algerischer Hilfe ein Treffen von Agenten und den Libanesen in Madrid zustande. Kurz danach sollen zwei französische Abgesandte die syrische Regierung um Einflußnahme auf die FARL und um Hilfe bei den Bemühungen um die Freilassung der in Libanon entführten Franzosen gebeten haben. Das Ziel, weitere Anschläge zu verhindern, sei erreicht worden, schreibt das Blatt und fährt fort, nach weiteren Geheimverhandlungen sei im Sommer von hoher Stelle verfügt worden, daß weitere Anklagen gegen Abdallah wegen Mangels an Beweisen zu unterbleiben hätten. Abdallah, der eine vierjährige Haftstrafe wegen Waffenbesitzes und Führens falscher Personalpapiere zur Hälfte verbüßt hat, ist der Mittäterschaft bei der Ermordung eines US–Militärattaches und eines israelischen Diplomaten verdächtig. Laut Le Canard Enchaine wurde das Vorhaben Ende Juni an die USA verraten. Daraufhin, so heißt es, hätten sich die Familie des Militärattaches und die US– Botschaft als Nebenkläger eingeschaltet, um einen Prozeß gegen Abdallah zu erzwingen. Nach den jüngsten Anschlägen gibt es dem Blatt zufolge keine Neigung mehr zu einem Handel mit den Libanesen.

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