: Verhandeln in Paris, marschieren am Golf
■ Paris heute Drehscheibe der Diplomatie in der Golfkrise / De Cuellar informiert über Treffen mit Aziz / EG will sich am Freitag zu Sondergipfel treffen / Bagdad leidet unter Embargo
Amman/Washington/Berlin (dpa/ap/afp) - Paris war gestern - vor dem mit Spannung erwarteten Gipfel Bush-Gorbatschow am Wochenende - Drehscheibe der diplomatischen Bemühungen um eine Beilegung der Golfkrise. UNO-Generalsekretär Javier Perez de Cuellar wollte zuerst mit dem französischen Außenminister Roland Dumas und dann mit Außenminister Hans -Dietrich Genscher über die Konsequenzen seines „enttäuschenden“ Treffens mit dem irakischen Außenminister Tarik Aziz in Amman sprechen. Am Abend dann wollte König Hussein von Jordanien bei Francois Mitterrand vorsprechen. Hussein kam direkt aus Bonn.
De Cuellar hat, wie gestern in der jordanischen Hauptstadt Amman bekannt wurde, mit Aziz um einen gemeinsamen Ansatzpunkt gerungen, da in der Frage des irakischen Rückzugs aus Kuwait kein Yota bewegt worden sei. So schlug er eine gemeinsame Kommission des Irak und der UNO zu Verhandlungen über die Ausländer im Irak und in Kuwait vor, da die Geiselfrage im Zentrum des öffentlichen Interesses steht. Weitere Ausreisen von Frauen und Kindern aus dem westlichen Ausland wurden unterdessen von Bagdad wieder gestoppt, nachdem am Wochenende 700 Geiseln das Land hatten verlassen dürfen. Die UdSSR schloß am Montag die Evakuierung der Frauen und Kinder sowjetischer Vertragsarbeiter aus dem Irak ab.
Während der Maghreb-Ministerrat, der gestern in Algier tagte, nach einer ersten Runde auf einer arabischen Konfliktlösung bestand, forderte in Paris der französische Premier Michel Rocard eine „gemeinsame Außen- und Verteidigungspolitik“ für die Europäische Gemeinschaft. „Europa würde sich großer Illusionen hingeben, wenn es glauben sollte, als Rentner der Geschichte leben zu können, der nur die Dividenden eines von den USA aufrechterhaltenen Friedens kassiert“, so Rocard (siehe auch Seite 9). Rahmen für die Sicherheitspolitik sei die Westeuropäische Union (WEU). Gestern wurde auch bekannt, daß sich die EG am Freitag zu einer Golf-Sondersitzung in Rom treffen wird. Dabei soll es in erster Linie um die Hilfsprogramme der zwölf unter dem Wirtschaftsembargo gegen Irak leidenden Länder wie etwa Husseins Jordanien gehen. Insgesamt wurden bisher schon 12 Millionen DM bewilligt. Zur Wiedereingliederung Zehntausender aus dem Irak geflohener ägyptischer Arbeiter soll die EG-Kommission kurzfristige Milliardenkredite bereithalten. Schwer geschädigt und wenig entschädigt sind die 41 ärmsten Länder der Erde durch die Golfkrise, wie die UNO-Handels- und Entwicklungskonferenz UNCTAD in Paris enthüllte.
Der Aufmarsch im Golf geht derweil weiter. Während US -Spionagesatelliten Irak Tag und Nacht bewachen und der Chefkommandant der US-Streitkräfte „alles“ über die irakischen Truppen weiß, äußern sich aus dem Urlaub zurückkehrende Kongreß-Abgeordnete zunehmend kritisch über ein zu schnelles militärisches Eingreifen der USA. Sam Nunn etwa, Vorsitzender des Streitkräfteausschusses im Senat, forderte in einem TV-Interview: „Wenn wir uns durch militärische Gewalt bei dieser Operation von vielen unserer Partner entfremden, werden wir das Embargo verlieren. Das würde unseren eigenen Zielen zuwiderlaufen“.
An den Folgen des Embargos leidet die Bevölkerung in Bagdad offenbar immer mehr. Experten vermuten, die Wasserversorgung wie auch das Transportwesen könnten „innerhalb eines Monats“ zusammenbrechen. (siehe auch Kasten rechts unten)
Erneut kritisch äußerte sich die sowjetische Führung zum US -Truppenaufmarsch am Golf. Außenamtssprecher Gennadi Gerassimow sagte am Montag auf einer Pressekonferenz, paradoxerweise trage die amerikanische Präsenz in der Region dazu bei, einen anti-amerikanischen Block zu bilden. Dies sei ganz im Sinne von Saddam Hussein. Gorbatschow hatte schon vorgestern gemeint, ein militärisches Eingreifen der USA könne „schwerwiegende Rückwirkungen“ auf die Ost-West -Beziehungen haben.
Das US-Nachrichtenmagazin 'Newsweek‘ berichtet, US -Präsident Bush habe geheimdienstliche Bemühungen genehmigt, Saddam Hussein zu stürzen.
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