Verhältnis von Polizei und Medien: Leben sie in derselben Republik?
Der deutsche Presserat hat eine Aktualisierung der „Spielregeln“ zwischen Polizei und Medien vorgelegt. Ein Jammer, dass das nötig ist.
D ie Beziehung von Medien und Polizei ist kompliziert. Deshalb gibt es die „Verhaltensgrundsätze für Medien und Polizei zur Vermeidung von Behinderungen bei der Durchführung polizeilicher Aufgaben und der freien Ausübung der Berichterstattung“. Das ist deswegen so bürokratisch formuliert, weil die Innenminister*innen der Länder als – Achtung, Genderfalle – oberster Dienstherr der Polizei alles absegnen müssen.
Jetzt hat der Deutsche Presserat, der bei diesen Verhaltensgrundsätzen die Medienseite vertritt, eine Aktualisierung vorgelegt. Denn das Ganze ist noch auf dem Stand der mittleren 1990er Jahre – und somit überholt. Kommende Woche tagen die Innenminister*innen der Länder. Sie beraten hoffentlich über das neue Papier, das zeigt, wie verfahren die Lage ist.
In der Fassung von 1993 heißt es nämlich, beide Seiten könnten schon mal aneinanderrasseln und da sollen eben die gemeinsamen Spielregeln helfen. In der aktualisierten Fassung steht jetzt: Die Polizei „berücksichtigt, dass Journalistinnen und Journalisten und andere Medienschaffende einen durch Artikel 5 des Grundgesetzes […] verbürgten Anspruch auf staatlichen Schutz der freien Berichterstattung und Information haben und die Presse- und Rundfunkfreiheit auch in ihrer praktischen Umsetzung für die freiheitlich-demokratische Grundordnung wesentlich und unentbehrlich ist“.
In was für einer Republik leben wir eigentlich, dass so etwas ausdrücklich aufgeschrieben werden muss? Leider in einer, bei der mittlerweile nach fast jeder Coronademo Medienmenschen von Übergriffen der Demonstrierenden auf sie und von mangelnder Unterstützung durch die Polizei berichten. Und das reicht vom fehlenden Verständnis für die Rolle der Medien bis zur krassen Behinderung der journalistischen Arbeit.
Deswegen steht im Neuentwurf jetzt auch ein Passus, dass die Polizei „den persönlichen Schutz der Medienschaffenden vor Bedrohung und körperlichen Angriffen“ zu gewährleisten und „die freie Berichterstattung“ zu sichern habe. Sollte das tatsächlich nicht mehr selbstverständlich sein? Zumindest einige Beispiele der letzten Wochen weisen darauf hin – in Sachsen, Berlin und anderswo.
Früher hieß es im Kinderreim „Eins, zwei, Polizei / Drei vier, Grenadier / Fünf, sechs, alte Hex / Sieben, acht, gute Nacht“. Damit „gute Nacht“ nicht länger das Verhältnis von Polizei und Medien beschreibt, sei noch ein Satz zitiert. Er steht so im alten wie im neuen Grundsatzpapier des Presserats: „Unmittelbare Gespräche sind erfahrungsgemäß geeignet, Missverständnissen vorzubeugen.“ In diesem Sinne ab in die Eckkneipe oder zu Aschingers oder wie das heute heißt. Klappt bei „Babylon Berlin“ und Gereon Rath doch auch.
taz lesen kann jede:r
Als Genossenschaft gehören wir unseren Leser:innen. Und unser Journalismus ist nicht nur 100 % konzernfrei, sondern auch kostenfrei zugänglich. Texte, die es nicht allen recht machen und Stimmen, die man woanders nicht hört – immer aus Überzeugung und hier auf taz.de ohne Paywall. Unsere Leser:innen müssen nichts bezahlen, wissen aber, dass guter, kritischer Journalismus nicht aus dem Nichts entsteht. Dafür sind wir sehr dankbar. Damit wir auch morgen noch unseren Journalismus machen können, brauchen wir mehr Unterstützung. Unser nächstes Ziel: 40.000 – und mit Ihrer Beteiligung können wir es schaffen. Setzen Sie ein Zeichen für die taz und für die Zukunft unseres Journalismus. Mit nur 5,- Euro sind Sie dabei! Jetzt unterstützen
meistkommentiert
Rechtspopulistinnen in Europa
Rechts, weiblich, erfolgreich
Keith Kelloggs Wege aus dem Krieg
Immer für eine Überraschung gut
Wirkung der Russlandsanktionen
Der Rubel rollt abwärts
Greenpeace-Mitarbeiter über Aufrüstung
„Das 2-Prozent-Ziel ist willkürlich gesetzt“
Antisemitismus in Berlin
Höchststand gemessen
Rauchverbot in der Europäischen Union
Die EU qualmt weiter