Verfassungsstreit in Kongo-Brazzaville: Sassou gegen „Sassoufit“
Gegner des Staatschefs Denis Sassou-Nguesso machen gegen dessen drohende dritte Amtszeit mobil. Die Polizei unterdrückt die Proteste.
Sassou-Nguesso, 72 Jahre alt, regiert die ehemalige „Volksrepublik Kongo“ seit 1979 – mit einer kurzen Unterbrechung, als er 1992 die ersten freien Wahlen verlor und sich fünf Jahre später mit Waffengewalt zurück an die Macht kämpfte. Einst marxistischer Autokrat, ist Sassou-Nguesso zum Freund der französischen Ölindustrie geworden und agiert heute als Elder Statesman, der sich Nachbarländern wie der Zentralafrikanischen Republik oder der Demokratischen Republik Kongo als Vermittler empfiehlt.
2002 ließ der Präsident sich erstmals für sieben Jahre wählen, 2009 wurde er wiedergewählt. 2016 darf er nicht wieder kandidieren, da die geltende Verfassung nur zwei gewählte Amtszeiten sowie eine Altersobergrenze von 70 Jahren vorsieht. Deswegen hat Sassou-Nguesso eine neue Verfassung erarbeiten lassen, die das Kabinett am 5. Oktober zur Volksabstimmung am 25. Oktober freigab.
Der neue Text gewährt dem Präsidenten zwei gewählte Amtszeiten von je fünf Jahren und streicht die Altersobergrenze. Die Zählung der Amtszeiten beginnt mit einer neuen Verfassung von vorn.
Internet abgeschaltet
„Sassoufit!“ (Ça suffit – Es reicht) lautet das Motto der Oppositionsbewegung dagegen, die schon mehrfach auf die Straße gegangen ist. Nach Zusammenstößen am Samstag wurden mehrere Aktivisten festgenommen, für Dienstag verhängte der Präsident ein Versammlungsverbot und wies persönlich alle Angestellten an, zur Arbeit zu gehen. SMS- und Internetdienste wurden stillgelegt, die Übertragung des französischen Auslandsrundfunks RFI zu „Wartungsarbeiten“ abgeschaltet. Ein starkes Sicherheitsaufgebot bezog Stellung in den Städten.
Im Morgengrauen am Dienstag errichteten Jugendliche Straßensperren aus brennenden Autoreifen, um die sich Auseinandersetzungen mit der Polizei entzündeten. Auf Brazzavilles zentralem „Boulevard des Armées“ vertrieben Sicherheitskräfte jeden Ansatz einer Zusammenrottung.
Die Polizei habe scharf geschossen, sagte am Dienstag nachmittag gegenüber Reuters Tresor Nzila von der „Kongolesischen Beobachterstelle für Menschenrechte“. Einem Bericht zufolge wurden drei Demonstranten getötet, genauere Angaben gab es bis zum Abend nicht.
taz lesen kann jede:r
Als Genossenschaft gehören wir unseren Leser:innen. Und unser Journalismus ist nicht nur 100 % konzernfrei, sondern auch kostenfrei zugänglich. Texte, die es nicht allen recht machen und Stimmen, die man woanders nicht hört – immer aus Überzeugung und hier auf taz.de ohne Paywall. Unsere Leser:innen müssen nichts bezahlen, wissen aber, dass guter, kritischer Journalismus nicht aus dem Nichts entsteht. Dafür sind wir sehr dankbar. Damit wir auch morgen noch unseren Journalismus machen können, brauchen wir mehr Unterstützung. Unser nächstes Ziel: 40.000 – und mit Ihrer Beteiligung können wir es schaffen. Setzen Sie ein Zeichen für die taz und für die Zukunft unseres Journalismus. Mit nur 5,- Euro sind Sie dabei! Jetzt unterstützen
meistkommentiert
Interner Zwist bei Springer
Musk spaltet die „Welt“
Nach dem Anschlag von Magdeburg
Wenn Warnungen verhallen
Historiker Traverso über den 7. Oktober
„Ich bin von Deutschland sehr enttäuscht“
Kaputte Untersee-Datenkabel in Ostsee
Marineaufgebot gegen Saboteure
Elon Musk greift Wikipedia an
Zu viel der Fakten
Aufregung um Star des FC Liverpool
Ene, mene, Ökumene