: Verfassungsschutz gegen WAA–Gegner
■ Das Bayerische Landesamt durchforstete in der Oberpfälzer Gemeinde Bruck die Melderegister / Paßbilder von MitgliederInnen der Bürgerinitiative wurden im Rathaus aussortiert und abfotografiert
Aus Nürnberg Wolfgang Gast
Das Bayerische Landesamt für Verfassungsschutz hat gezielt die Daten von WAA–GegnerInnen in der oberpfälzer Gemeinde Bruck ausgeforscht. Der Schwandorfer Landrat Hans Schuierer bestätigte gestern gegenüber der taz einen Bericht der oberpfälzer Tageszeitung Der Neue Tag vom vergangenen Samstag, nachdem sich Mitarbeiter des Verfassungsschutzes im Februar wiederholt im Brucker Rathaus die Unterlagen aus dem Melderegister vorlegen ließen. Unter Berufung auf den Paragraphen 31 des Meldegesetzes forderten die Staatsschützer vom Verwaltungspersonal die Herausgabe der Paßanträge, sortierten dann die Meldebögen von Mitgliedern der Bürgerinitiative gegen die WAA aus und fotografierten die Paßfotos, die in die Karteiblätter eingeklebt sind, mit Polaroidkameras ab. Erst als sich der Brucker Bürgermeister Joachim Hanisch nach mehrmaligem Auftauchen der Verfassunsschützer mit Schreiben vom 19. Februar an die Aufsichtsbehörde im Schwandorfer Landratsamt mit der Frage „dürfen die das?“ wandte, beendeten die Verfassungsschützer ihr Treiben. Unklar bleibt, wie alles in die Speicher der Münchner Verfassungsschützer geraten ist und ob gleiches nicht auch in anderen Gemeinden geschehen ist. Ob das Vorgehen der Verfassungsschützer mit dem Artikel 31 des Meldegesetzes abgedeckt ist, wagte die Rechtsaufsichtsbehörde im Schwandorfer Landratsamt zu bezweifeln. Im Gesetzestext steht zwar, daß die Meldebehörde einer anderen Behörde oder einer sonstigen öf fentlichen Stelle aus dem Register Daten übermitteln darf und daß bei Institutionen wie Justiz, Polizei, Staatsanwaltschaft und Verfassungsschutz eine Überprüfung hinsichtlich der Auskunft entfällt. Vom Abfotografieren der Paßbilder ist in den Vorschriften aber nirgends die Rede. Der Schwandorfer Landrat, Hans Schuierer, wandte sich deshalb am 7. März in einem Schreiben an die Regierung der Oberpfalz in Regensburg. Darin forderte er eine Stellungnahme der Regierung und monierte: „Wir halten dieses für materiell bedenklich, weil es sich offenbar um keine Einzelfälle handelt und unbescholtene Mitglieder der nicht verfassungswidrigen Bürgerinitiative gegen die Wiederaufarbeitungsanlage erfaßt werden. Es bestehen Zweifel, ob der Grundsatz der Verhältnismäßigkeit gewahrt wird“. Eine Antwort aus Regensburg gibt es aber bis heute nicht. In einer ersten Stellungnahme erklärten gestern die Bayerischen Grünen, daß sie die dubiosen Praktiken des Landesamtes für Verfassungsschutz vor den Landtag bringen und für eine vorbehaltlose Aufklärung der Hintergründe sorgen wollen. Landesvorstandssprecherin Gisela Pöhler erklärte, der Verfassungsschutz habe nicht seine Kompetenzen überschritten, sondern gesetzwidrig gehandelt. Den Staatsschützern sei es wohl darum gegangen, „Vorbereitungen für die komplette Kriminalisierung der Bürgerinitiative gegen die WAA zu treffen“. Der Landtagsabgeordnete der Grünen, Professor Armin Weiß, wertete den „Brucker Skandal“ als einen weiteren Schritt zum Abbau des Rechtsstaates.
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