: Verfahren ohne Opfer
ROCKER-KRIEG In Neumünster beginnt Prozess um angeschossenen „Bandido“. Angeklagt ist eine 20-Jährige
Unter Ausschluss der Öffentlichkeit hat am Dienstag vor dem Amtsgericht Neumünster der Prozess gegen eine 20-Jährige aus dem Rockermilieu begonnen. Das Verfahren wurde aber unterbrochen, weil der Hauptzeuge nicht erschien.
Die Angeklagte soll den Rocker der „Bandidos“ im Auftrag ihres Freundes von den „Hells Angels“ in einen Hinterhalt gelockt haben. Dabei wurde der Mann Ende Januar 2009 auf einem Parkplatz in Kaltenkirchen niedergeschossen. Die Täter flüchteten. Auch die 20-Jährige fuhr der Anklage zufolge davon, ohne sich um das angeschossene Opfer zu kümmern oder Hilfe zu holen. Ihr wird deswegen Beihilfe zu gefährlicher Körperverletzung und unterlassene Hilfeleistung vorgeworfen.
Für das Verfahren waren starke Sicherheitskräfte von Polizei und Justiz vor Ort. Verteidiger Hans-Joachim Liebe beantragte die nichtöffentliche Verhandlung, weil er wegen des „Rummels“ Nachteile für seine jugendliche Mandantin fürchte.
Der Racheakt in Kaltenkirchen geht nach Auffassung der Anklage auf ein tiefes Zerwürfnis zwischen dem „Bandido“ und dem „Hells Angel“ zurück: Beide hatten sich im März 2007 einen Streit in einer Kieler Diskothek geliefert, bei der der „Angel“ dem später niedergeschossenen „Bandido“ den Kiefer zertrümmerte. Daraufhin soll dessen Bruder den „Angel“ niedergestochen haben. Der wurde ein zweites Mal vor dem Kieler Amtsgericht niedergestochen, als er als Zeuge aussagen sollte.
Die Gewalt beider verfeindeter Gruppen beunruhigt die schleswig-holsteinische Polizei zunehmend. Bei dem Machtkampf geht es nach Einschätzung der Polizei auch um die Vorherrschaft im Rotlicht-Milieu. „Hells Angels“ und die „Bandidos“ gehörten zum „kriminellen Spektrum“, heißt es. Nach ihrem „Ehrenkodex“ arbeiten beide Seiten nicht mit Polizei oder Justiz zusammen. Gerichtsverfahren bleiben sie in der Regel fern, Zeugen mauern mit „Erinnerungslücken“. (dpa)