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Verdunkelungsgefahr

■ betr.: „Senat will verdunkeln“, taz vom 2.2. 98

Das ist doch wieder mal einer von diesen halbherzigen Senatsvorschlägen, den Bausenator Kleemann da ausgeheckt hat! Als ich neulich abends durch die Steglitzer Schloßstraße ging und mich über das merkwürdige Schummerlicht wunderte, das – wie ich jetzt schließe – durch das verspätete Anschalten der Straßenbeleuchtung entstanden war, wurde ich lebhaft an die Verdunkelungsaktionen der Kriegsjahre erinnert, als wir Kinder viel Spaß hatten mit Leute-Anrempeln und leuchtenden Anstecknadeln. So eine Leuchtplakettenproduktion könnte zwar so manchem mittelständischem Betrieb wieder zu Wohlstand und Arbeitern zu Lohn und Brot verhelfen – aber das kann doch nicht Ihrer berüchtigten Weisheit letzter Schluß sein, Herr K.!

Da hätte ich eine bessere Idee: Wer Dienstleistungen will, soll sie gefälligst auch bezahlen, das lernen wir doch gerade alle und zahlen unsere Zahnarztrechnungen usw. demnächst ganz selbst.

Warum also nicht die Leute dazu verdonnern, selbst die Straßen zu beleuchten – sprich: Jeder wird verpflichtet, bei Einbruch der Dunkelheit alle Lampen anzuknipsen und somit alle Fenster zu erleuchten und sie bei Strafe bis Mitternacht brennen zu lassen (dann gehören anständige Menschen sowieso ins Haus, und die anderen brauchen eh kein Licht für ihre dunklen Geschäfte!). Und wie früher der Luftschutzwart darüber wachte, daß ja alle Fenster verdunkelt waren, kümmern wir uns heute alle selbst um die Beleuchtungsverweigerer – ganz im Sinne der zur Zeit überall aushängenden Aufrufe zu Spitzelei und Denunziantentum: „Wenn etwas nicht in Ordnung ist, sprich mit der Polizei!“ Sigrid Wiegand

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