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Verdreckungsängste

■ Meinungen zum polnischen Markt: „Ökologisch einwandfrei“ muß er sein / Moralischer Tip: „Ans eigene Volk denken“ / Bitte weder Wurst noch Käse

Die unentschiedene Senatspolitik mit dem „Polenmarkt“ zeigt Wirkung. „Sauberkeit und Ordnung“ und Märchen über „im Osten knappe Lebensmittel zu West-Schleuderpreisen“ bestimmen immer noch das Meinungsbild. Nach der erneuten Quasi -Legalisierung durch den Senat einige Stimmen aus dem U -Bahnhof Kochstraße:

„Davon halte ich gar nichts“, meint eine junge Frau, „da wurden vom Staat schon viel zu viele Türchen geöffnet.“ Ein mittelalter Mann hat es mit der Gerechtigkeit: „Das ist doch Benachteiligung. Unsere Geschäftsleute müssen sich nach Gesetzen richten, während die Polen da machen können, was sie wollen. Gleichzeitig versauen sie auch noch die Grünanlagen.“ Verständnis für die Anwohner äußert ein 40jähriger: „Mich stört's nicht, aber wenn sich Leute bedrängt fühlen, nicht im Sinn von Rassismus, sondern von Verdreckung, dann kann ich das nachvollziehen. Wir sind doch alle so für Umweltschutz. Ich bin dafür. Aber ökologisch einwandfrei.“ Das meint auch eine ältere Frau: „Man muß die dazu verpflichten, den Platz ordentlich zu verlassen.“

Eine Frau, die täglich am Bartholdy-Park vorbeiradelt: „So geht's nicht. Neben den Krempelmarkt setzen ist die einzige Möglichkeit, damit umzugehen.“ Kein Verständnis für eine Legalisierung hat eine Frau Anfang 20: „Ich find‘ das nur schlimm. Ein normaler Händler bezahlt eine Menge Gebühren, und diese Leute kommen hierher und schieben und schachern. Das sind doch auch Lebensmittel, Polen selbst hat nichts, und hier kann man das dann billig kaufen. Die sollen an ihr eigenes Volk denken.“ Eine Ostberlinerin: „Das ist nicht in Ordnung. Wir haben sowieso schon nicht viel im Osten. Das wenige kaufen die auch noch auf, fahren dann hierher und verhökern das.“

„Die sollen doch verkaufen, was sie wollen“, meint ein anderer Mann, „ich find's richtig, daß die wieder aus der Stadt an die Mauer gehen.“ Den von ihm vermuteten Verkauf von Lebensmittel lehnt er ab: „Zu Weihnachten wollen die Pakete von uns, damit sie was zu fressen haben, und dann verkaufen sie's wieder.“ An die „eigenständigen Unternehmer“ denkt eine ältere Frau: „Die zahlen Steuern und machen und tun, die müssen sämtliche Sondergenehmigungen haben. Die Polen, naja, man sieht zwar, das die Not haben, aber die, die hier herkommen, das sind nicht die Armen, das sind garantiert Professionelle.“ Ein forscher Fünfziger macht es kurz: „Wegen der Verschmutzung der Umgebung lehn‘ ich das vollkommen ab.“ Wegen der „einheitlichen EG-Ordnung“ hat ein junger Mann was gegen den polnischen Markt: „Das kann auf Dauer nicht durchgesetzt werden.“ Der nebenstehende Greis, Typ alter Kämpfer, braucht keine Argumente: „Liquidieren, damit das ganz schnell weg ist.“

kotte

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