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Verbotene Namen vor Gericht

■ Neues aus Absurdistan: Ein Gesetz untersagt Doppelnamen, ein anderes fordert gleiche Namen für Geschwister. Geschwister von Doppelnamen-Kids vergessen

Wenn sie nicht wegen Kinderschmuggels an der Grenze verhaftet werden wollen, müssen Detlev Müller und Annette Hermann in diesem Jahr auf Auslandsurlaub verzichten. Denn ihre Tochter Natalie bekommt von der Innenverwaltung keinen Kinderpaß. Den bekommt sie nicht, weil sie auch sechs Monate nach der Geburt noch keinen Nachnamen besitzt. Und den wiederum geben ihr die Eltern nicht, weil sie sich dagegen wehren, einen ungewollten Namen aufgedrückt zu bekommen. Bisher haben die Berliner Gerichte in diesen Fällen den Eltern recht und der Verwaltung unrecht gegeben.

Hintergrund ist eine Entscheidung des Bundesverfassungsgerichts vom Jahr 1991: Damals erklärte das Gericht das Namensrecht für verfassungswidrig: Statt wie bis dato im Zweifel den Namen des Vaters, sollten Kinder einen Doppelnamen bekommen können, wenn sich die Eltern nicht auf einen Namen einigten. Herr Müller und Frau Hermann nannten deshalb ihr erstes Kind Markus Müller-Hermann. Das „Familiennamensrechtsgesetz“ von 1993 machte dann den Doppelnamen den Garaus: Die Ehegatten sollten sich gefälligst auf einen gemeinsamen einfachen Familiennamen, keinen Doppelnamen, einigen.

Diese Rechnung hatten die Familienrechtler allerdings ohne das Bürgerliche Gesetzbuch (BGB) gemacht – und ohne den Wunsch von Herrn Müller und Frau Hermann nach einem zweiten Kind. Als Ende 1995 ihre Tochter Natalie geboren wurde, erlebten sie auf dem Standesamt ihr blaues Wunder: Müller-Hermann wie der große Bruder dürfe das Kind nicht heißen, sondern entweder Müller oder Hermann, hieß es. Trost fanden die Eheleute nur im Paragraph 1.616 des BGB: Dort heißt es: „Führen die Eltern keinen Ehenamen, so bestimmen sie den Namen der Mutter oder des Vaters zum Geburtsnamen des Kindes. Die Bestimmung der Eltern gilt auch für weitere Kinder.“ Geschwister, so das BGB, sollen den gleichen Namen tragen. Doch an Kinder mit Doppelnamen war dabei offensichtlich nicht gedacht worden.

Diese Lücke im Gesetz müssen Müller und Hermann nun büßen. Mit ihnen haben andere betroffene Eltern geklagt und beim Amtsgericht und beim Landgericht recht bekommen. Beim Kammergericht liegen derzeit drei Klagen gegen die Weigerung der Innenverwaltung vor, Geschwisterkindern den Doppelnamen zuzugestehen. Thomas Raabe, Sprecher der Innenverwaltung, hält daran fest, daß Berlin aus Gründen der „Rechtssicherheit“ nicht anders handeln könne, weil Doppelnamen nicht erlaubt seien. „Für uns gilt das Familiennamensgesetz“, meinte Raabe. Wenn Eltern ein Personaldokument für ihr namenloses Kind wollten, müßten sie sich eben auf einen Namen einigen – möglicherweise auch nur befristet.

Genau das wollen Müller und Hermann aber nicht tun. Sie haben Angst, einen einmal angenommenen Namen nicht wieder rückgängig machen zu können. So bleiben ihnen nur die Hoffnung auf die Berliner Justiz – und die Aussicht auf Ferien in Brandenburg. Bernhard Pötter

Namen von Betroffenen geändert

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