Verbot des „Compact“-Magazins: Antifaschismus als Spektakel
Das Verbot des rechtsradikalen Kampfblatts „Compact“ ist in der Sache richtig. Doch die Inszenierung durch Innenministerin Faeser wirft Fragen auf.
A ls Jürgen Elsässer im Bademantel am Dienstagmorgen seine Haustür in Falkensee aufmacht, wird er nicht nur von vermummten Einsatzkräften der Polizei begrüßt – sondern auch von Pressevertreter*innen. Ein freier Fotograf hält den Moment fest. Die Welt, dpa und RBB sind schnell vor Ort. Um 06:29 erscheint ein Beitrag zum Verbot des rechtsextremen Compact-Magazins, dessen Chefredakteur Elsässer ist, bei Spiegel Online. Es folgen kurz danach eigene Beiträge mit Hintergründen auf tagesschau.de, in der FAZ – und auch auf der Webseite der taz.
Für Nancy Faesers (SPD) Bundesinnenministerium ist das ein großer PR-Erfolg: Die Bilder der Razzia gehen in den deutschen sozialen Medien prompt viral. Das Compact-Verbot war am Dienstag das Thema des Tages: Seit Jahren verbreitet das Magazin antisemitische Verschwörungsmythen, Russlandpropaganda und Hetze gegen Minderheiten. Es war das Sprachrohr des rechten Rands schlechthin.
Einige Medienhäuser hatten etwas dazu vorbereitet, denn der Schritt kam nicht als Überraschung: Sie wurden vorab informiert. Und auch manch freier Fotograf. Ein offenes Geheimnis also. Wusste nur Elsässer nicht, dass sein rechtsextremes Kampfblatt hoch- und auseinandergenommen werden wird? Schwer zu glauben.
Nicht zum ersten Mal sucht Faeser eine mediale Bühne für Razzien oder Verbote. Auch als am frühen Morgen des 7. Dezembers 2022 der Reichsbürger Heinrich XIII. Prinz Reuß von Spezialkräften der Polizei abgeführt wurde, weil er einen Staatsstreich vor Weihnachten geplant haben soll, warteten Fotograf*innen und Fernsehteams vor seiner Tür. Die Razzia gegen die „Patriotische Union“, wie sich die Gruppierung nennt, war eine der größten aller Zeiten in Deutschland. Und als Faeser das Neonazi-Netzwerk „Hammerskins“ im September 2023 verbot, wussten nicht wenige Journalist*innen vorher Bescheid und lieferten gleich Bilder, Videos und Texte der Aktion mit.
Nicht jede Durchsuchung verläuft friedlich
Doch so wird Innenpolitik zur bloßen Inszenierung. Und die Praxis wirft einige Fragen auf. Erstens sind offene Geheimnisse keine. Und nicht jede Redaktion hat ein dezidiert kritisches Verhältnis zu Compact. Am Tag des Hammerskin-Verbots zum Beispiel schrieb ein Neonazi in seinem Telegramkanal: „Diese Woche könnt Faeser sich vielleicht noch mal feiern lassen. Warten wir ab“ – mit Zwinkersmiley (Fehler im Original). Eine Woche später wurde dann tatsächlich die neonazistische „Artgemeinschaft“ verboten. Eine große Überraschung war das also zumindest für manche in der Szene nicht. Das ist gefährlich: Denn nicht jede Durchsuchung in der rechtsextremen Szene verläuft friedlich.
Und zweitens: Der Kampf gegen Rechtsextremismus braucht keine Symbolpolitik, sondern – neben einer starken Zivilgesellschaft – konsequente Ermittlungen und rechtsstaatliche Härte. Doch genau das passiert viel zu selten: Die Hammerskins gab es in Deutschland seit den Neunzigern, Compact seit 2010. Seit Jahren warnen antifaschistische und zivilgesellschaftliche Organisationen vor beiden.
Stattdessen kursieren nun Bilder von Elsässer im Bademantel: Der Möchtegern-Oppositionelle, verfolgt in seiner Privatsphäre. Und diese Bilder stärken den rechtsaußen kultivierten Opfermythos: Dass nämlich gleichgeschaltete Systemmedien, die Lügenpresse eben, Hand in Hand arbeiteten mit dem linksgrünversifften Staat, gegen die armen Nazis. Rechtsextreme vom Identitären Martin Sellner bis zum Neonazi Tommy Frenck solidarisieren sich mit dem Compact-Chef auf Telegram. Aus Elsässer wird so ein Märtyrer der rechtsextremen Szene. Trotz der Wichtigkeit des Verbots: Das kommt ihm gelegen.
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