: Verbohrt -betr.: "Drogen, Freunde, Helfer", taz vom 12.10.1995
Betr.: „Drogen, Freunde, Helfer“, 12.10.95
Sehr geehrte Frau Mertins,
wenn ich Ihre Artikel – und zwar insbesondere die zur Drogenpolitik – lese, frage ich mich immer öfter, was Sie mit dieser Art von kommentierender Berichterstattung eigentlich bezwecken. Ihre Auffassung von der Drogenproblematik ist dermaßen festgefahren und verbohrt, daß Sie nicht einmal mehr in der Lage sind, zwischen Bericht und Kommentar auch nur ansatzweise zu trennen. Ihr Artikel strotzt wieder einmal von persönlichen Diffamierungen, und was Sie da herbeischreiben, liest sich im Klartext so:
,Alle SozialarbeiterInnen, die außer den Junkies auch die (anderen) BewohnerInnen von St. Georg nicht aus dem Blickwinkel verlieren, sollen vom Stadtteil die Finger lassen. Mit der Igitt-Innenbehörde und der Polizei darf Sozialarbeit gar nicht erst in Berührung kommen. St. Georg ist das Revier der Drogenabhängigen, und das ist völlig in Ordnung so. Dieses Revier muß – wie im Tierreich – verteidigt werden gegen solche SozialarbeiterInnen, die auch das Verhalten der Junkies kritisieren. Wenn die Polizei Schwierigkeiten mit Dealern und Junkies hat, dann ist das allein ihr Problem. Und wenn der Volkszorn in St. Georg hochkocht, dann sind das nur dumme Spießer, die sich über ein paar Spritzen auf Spielplätzen und über fixende Junkies in ihren Hauseingängen nicht so aufregen sollen.'
Sollte Ihre Schreib-Strategie erfolgreich sein – was ich nicht hoffe –, dann ziehen sich demnächst die als „konservativere Hilfeeinrichtungen“ und „Jubelpersonal“ des Innensenators diffamierten SozialarbeiterInnen aus der Drogenarbeit in St. Georg zurück in ihre Stadtteile, und die Polizei ist mit den Junkies und ihren Dealern wieder allein. In ein paar Jahren wird dann auch der letzte der Ihnen so verhaßten „steuerzahlenden, ordnungsliebenden Bürger“ aus St. Georg weggezogen sein – Zaun drumrum, fertig.
Christina Baumeister, Pressereferentin der Behörde für
Arbeit, Gesundheit und Soziales
taz lesen kann jede:r
Als Genossenschaft gehören wir unseren Leser:innen. Und unser Journalismus ist nicht nur 100 % konzernfrei, sondern auch kostenfrei zugänglich. Texte, die es nicht allen recht machen und Stimmen, die man woanders nicht hört – immer aus Überzeugung und hier auf taz.de ohne Paywall. Unsere Leser:innen müssen nichts bezahlen, wissen aber, dass guter, kritischer Journalismus nicht aus dem Nichts entsteht. Dafür sind wir sehr dankbar. Damit wir auch morgen noch unseren Journalismus machen können, brauchen wir mehr Unterstützung. Unser nächstes Ziel: 40.000 – und mit Ihrer Beteiligung können wir es schaffen. Setzen Sie ein Zeichen für die taz und für die Zukunft unseres Journalismus. Mit nur 5,- Euro sind Sie dabei! Jetzt unterstützen