Veranstaltung zur RAF in Kreuzberg: Daniela Klette grüßt den Untergrund
Bei einer Podiumsdiskussion über den „bewaffneten Kampf“ wird ein Brief von Daniela Klette verlesen. Ihr Anwalt weist einen Anklagepunkt zurück.
Es ist die Abschlussveranstaltung einer anarchistischen Reihe unter dem Titel „Gezeiten der Revolte“, die sich mit grundlegend antagonistischen Perspektiven auf Macht und Gesellschaft beschäftigt hat. Nach der Festnahme der einstigen RAF-Kämpferin Daniela Klette Ende Februar und durch die anhaltende Suche nach ihren früheren Mitstreitern Burkhard Garweg und Ernst-Volker Staub hat das Thema eine ungeahnte Aktualität bekommen.
Auf dem Podium in dem voll besetzten Saal sitzt dann mit Lukas Theune auch einer der drei Rechtsanwälte von Klette. Zunächst aber verliest Moderator Sebastian Lotzer, Autor und einstiger Autonomer, ein Grußwort von einigen der untergetauchten Antifaschist:innen, die aufgrund ihrer mutmaßlichen Beteiligung an Angriffen auf Neonazis in Budapest gesucht werden. Sie schreiben, anders als zu Zeiten der Stadtguerilla, in denen der Gang in die Illegalität „kein rein defensiver“ war, habe ihnen die „staatliche Repression aufgezwungen, Glück und Freiheit in der Illegalität zu suchen“.
Verlesen wird von einer Genossin auch ein Brief der in der JVA Vechta inhaftierten Klette, in dem sie die „von deutschen Politikern propagierte Kriegsertüchtigung der Gesellschaft“ geißelt. Über sich selbst schreibt Klette, sie habe sich ihre Festnahme und die Bedingungen im Gefängnis anders vorgestellt, spricht von Fußfesseln, verbundenen Augen und Drohungen über Einsatz der Schusswaffe.
Ihre Verhaftung sei von „tagelanger Hetze und aufgeputschter Stimmung“ begleitet gewesen. Berichte über Sprengstoff in ihrer Wohnung, der eine Gefahr für die anderen Bewohner:innen des Hauses dargestellt hätte, seien „eine Lüge“. Vergangene Woche hatten die Ermittler erstmals Bilder des Waffenarsenals gezeigt, das bei Klette gefunden wurde, darunter eine nicht funktionstüchtige Panzer-Abwehrrakete und ein Uralt-Maschinengewehr.
Zweifel an der Anklage
Rechtsanwalt Theune sprach von einer „Propagandashow“ um seine Mandantin, die die ersten zwei Monate in einer dauerhaft videoüberwachten Zelle, isoliert von den anderen Gefangenen, gehalten wurde. Inzwischen hätten sich die Bedingungen in der JVA verbessert.
Gleichwohl kritisierte er die Vorwürfe gegen Klette, insbesondere in Bezug auf das Verfahren wegen acht Raubüberfällen, bei denen es in einem Fall zu einer Schussabgabe auf ein gepanzertes Fahrzeug gekommen war. „Die Grundlüge des Verfahrens ist versuchter Mord“, so Theune. Dagegen sei offensichtlich: „Da sollte niemand zu Schaden kommen.“
Dellwo, der für seine Beteiligung an einer Geiselnahme in der deutschen Botschaft in Stockholm mit zwei Toten 18 Jahre hinter Gittern saß, führte die Notwendigkeit für Linke aus, sich außerhalb des Systems zu stellen. Eine Antwort darauf, was heutige Linke nun lernen könnten aus den bewaffneten Kämpfen von einst, blieb aber aus. Einen Spontanapplaus des andächtig lauschenden Publikums erhielt Reinders für sein Lob für Klette, Garweg und Staub: „30 Jahre in der Illegalität durchzuhalten ist eine wahnsinnige Leistung.“
taz lesen kann jede:r
Als Genossenschaft gehören wir unseren Leser:innen. Und unser Journalismus ist nicht nur 100 % konzernfrei, sondern auch kostenfrei zugänglich. Texte, die es nicht allen recht machen und Stimmen, die man woanders nicht hört – immer aus Überzeugung und hier auf taz.de ohne Paywall. Unsere Leser:innen müssen nichts bezahlen, wissen aber, dass guter, kritischer Journalismus nicht aus dem Nichts entsteht. Dafür sind wir sehr dankbar. Damit wir auch morgen noch unseren Journalismus machen können, brauchen wir mehr Unterstützung. Unser nächstes Ziel: 40.000 – und mit Ihrer Beteiligung können wir es schaffen. Setzen Sie ein Zeichen für die taz und für die Zukunft unseres Journalismus. Mit nur 5,- Euro sind Sie dabei! Jetzt unterstützen
meistkommentiert
BSW in Koalitionen
Bald an der Macht – aber mit Risiko
Dieter Bohlen als CDU-Berater
Cheri, Cheri Friedrich
Kinderbetreuung in der DDR
„Alle haben funktioniert“
Stellungnahme im Bundestag vorgelegt
Rechtsexperten stützen AfD-Verbotsantrag
Selbstzerstörung der FDP
Die Luft wird jetzt auch für Lindner dünn
Stellenabbau bei Thyssenkrupp
Kommen jetzt die stahlharten Zeiten?