■ QUERBILDER: Vanya – 42. Straße
Jahrelang haben die Schauspieler geprobt – und könnten bis in alle Ewigkeit weiterproben, denn erstens handelt ihr Stück Onkel Wanja von der Suche nach dem Sinn des Lebens, und zweitens bleibt Tschechows Rat gegen die Verzweiflung immer gleich: Bete und arbeite! Mit der Verfilmung der Kult-Inszenierung aus der 42nd Street setzte Louis Malle (Foto) der ewigen Depression ein vorläufiges Ende. Schließlich kann sie nun immer wieder abgespult werden...
Obwohl der Film also etwas Endgültiges hat, kann Louis Malle das Unfertige einer Probensituation erhalten. Wie zufällig treffen wir die Theatertruppe an einem Hot-Dog-Stand in New York, laufen dann gemeinsam mit ihnen ins Theater und hören den vorbereiteten Gesprächen zu: „Wie fühlst du dich in deiner Rolle?“ – „Beschissen.“ – „Gut, dann ist es richtig.“ Die Schauspieler setzen sich an einen Holztisch, stricken und schälen Kartoffeln. Plötzlich hat das Stück schon angefangen, und es wird klar, warum sich Brooke Smith als Sonja nicht besonders wohl fühlt. Die häßliche Tochter eines berühmten Professors bewirtschaftet allein mit ihrem Onkel Vanya (Wallace Shawn) das Landgut, damit der Vater im fernen Moskau beim Bücherschreiben nicht verhungert. Als dieser eines Tages mit seiner neuen, jungen, schönen Frau angereist kommt und sich als aufgeblasener Dummkopf entlarvt, bekommt Vanya die Sinnkrise und steckt damit alle anderen an. Das „russische“ Lamentieren über das vertane Leben nimmt seinen Lauf. Verzweifelte Versuche, die Sinnlöcher mit Liebe zu stopfen, schlagen fehl, da Liebe sich nicht an die Regel der Gegenseitigkeit hält. Auf dem Weg in die Resignation wird jedoch geweint, gelacht, getobt und geschossen, bewegen die Gesichter alle nur denkbaren Leidenschaften, so daß das größte Rätsel offen bleibt: Woher stammt die Kraft, sich selbst zur völligen Verzweiflung zu treiben? may
taz lesen kann jede:r
Als Genossenschaft gehören wir unseren Leser:innen. Und unser Journalismus ist nicht nur 100 % konzernfrei, sondern auch kostenfrei zugänglich. Texte, die es nicht allen recht machen und Stimmen, die man woanders nicht hört – immer aus Überzeugung und hier auf taz.de ohne Paywall. Unsere Leser:innen müssen nichts bezahlen, wissen aber, dass guter, kritischer Journalismus nicht aus dem Nichts entsteht. Dafür sind wir sehr dankbar. Damit wir auch morgen noch unseren Journalismus machen können, brauchen wir mehr Unterstützung. Unser nächstes Ziel: 40.000 – und mit Ihrer Beteiligung können wir es schaffen. Setzen Sie ein Zeichen für die taz und für die Zukunft unseres Journalismus. Mit nur 5,- Euro sind Sie dabei! Jetzt unterstützen