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■ Zum 25.Jahrestag der Okkupation der TschechoslowakeiVáclav Havel im Spagat

Fand der Prager Frühling tatsächlich in der Tschechoslowakei statt? Oder nicht doch in Deutschland? Vergleicht man tschechische und deutsche Zeitungen in diesen Tagen um den 25. Jahrestag des Einmarsches der Warschauer-Pakt-Staaten in Prag, scheint sich dieses Urteil unweigerlich aufzudrängen. Denn während vor allem die Deutschen-Ost die Bedeutung des „Sozialsmus mit menschlichem Antlitz“ für ihre eigene und die Geschichte der DDR in unzähligen Beiträgen diskutieren, ist in Prag der erste „runde“ Jahrestag nach der politischen Wende in

Ostmitteleuropa nurmehr Pflichtthema. Und

während noch am 21. August 1988 Zehntausende

auf die Straße gingen und diese erste große Demon-

stration seit 1969 der Anfang vom Ende des Husák-

Regimes war, sieht die heute in der tschechischen

Republik herrschende Meinung den Prager Frühling als einen Machtkampf zweier mehr oder weniger

stalinistischer Parteigruppierungen. Eine Demon-

stration wird auf dem Wenzelsplatz heute daher mit Sicherheit nicht stattfinden, zumindest keine grö-

ßere.

Da muß es dann auch schon fast wundern, daß Staatspräsident Václav Havel sich entschloß, aus Anlaß des 25. Jahrestags des Einmarsches eine von Funk und Fernsehen übertragene Rede zu halten. Doch dem nicht genug: Der Präsident, dem in letzter Zeit immer wieder vorgeworfen worden war, er unterwerfe sich dem politischen Willen von Ministerpräsident Václav Klaus, distanziert sich von der durch Konservative betriebenen Geschichtsinterpretation: Die sich im Frühling 1968 unter Führung der KP herausbildenden Freiräume seien ohne den Druck der öffentlichen Meinung nicht möglich gewesen. Wenn doch, so Havel nicht ohne klagenden Unterton, zumindest ein Teil des zivilen Engagements, mit dem die Bürger sich gegen die Besetzung ihres Landes wandten, auch heute in den „Dienst an der gemeinsamen Sache“ gestellt würde!

Doch den Schritt, den Havel mit dieser abschließenden Forderung nach einer „Wiederbelebung der guten Eigenschaften von 1968“ nach vorne wagt, hat er bereits am Anfang seiner Rede abgesichert. Seine Interpretation des Prager Frühlings leitet er mit den Worten ein, daß es „nicht schaden“ könne, wenn neben der Kritik an den Reformkommunisten auch „einige andere Elemente“ dieser Ereignisse erwähnt werden. Um nicht erneut in den während der letzten drei Jahre immer wieder gegen ihn erhobenen Verdacht des „Kryptokommunismus“ zu kommen, weist er zugleich auf ein Gesetz hin, mit dem das tschechische Parlament im Juli die Kommunistische Partei als „Verbrecherorganisation“ verurteilte und die Verfolgung und Verurteilung ihrer Mitglieder zumindest theoretisch ermöglicht.

Und so wird an dieser Stelle erneut – zum wievielten Mal eigentlich – deutlich, daß Havel sein „Leben in der Wahrheit“ schon lange dem politischen Opportunismus geopfert hat. Gleichzeitig aber doch immer wieder verzweifelt bemüht ist, sich selbst und andere seinen ständigen Spagat nicht merken zu lassen. Denn während Havel mit seiner Rede dem Reformkommunismus eine Lanze bricht, hat er nur wenige Wochen zuvor das Gesetz über die „Unrechtmäßigkeit des kommunistischen Regimes“ wenngleich mit Zaudern, aber dennoch unterschrieben. Dieses jedoch bezieht sich auf die gesamte Zeit der realsozialistischen Herrschaft zwischen 1948 und 1989. Die Monate des Prager Frühlings und ihre Akteure erhalten kein Pardon. Sabine Herre

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