: VS: Neue Schnüffler für alte DDR
München (dpa/taz) — Das verlustig gegangene Feindbild dient dem Verfassungsschutz nicht dazu Stellen einzusparen, sondern sich noch weiter aufzublähen. Im vereinten Deutschland wollen die hauptamtlichen Schnüffler ihr Personal erheblich verstärken. Vertrauliche Papiere des für die Inlandsaufklärung zuständigen Kölner Bundesamtes für Verfassungsschutz gehen davon aus, daß auf dem Gebiet der ehemaligen DDR tausend Verfassungsschützer neu beschäftigt werden müßten — jeweils 200 Bedienstete in den fünf neuen Bundesländern. Nach einem Bericht der 'Süddeutschen Zeitung‘ soll das Kölner Bundesamt aufgrund dieses Personalansatzes in einem Antrag die sofortige Genehmigung von 14 neuen Stellen an der Schule für Verfassungsschutz in Heimerzheim gefordert haben. Die tausend neuen Mitarbeiter müßten „von Grund auf neu beschult werden“. Auf Wunsch des Bundesamtes soll das entsprechende Geld im dritten Nachtrag zum Bundeshaushalt 1990 ausgewiesen werden.
In der Begründung des Antrags werden nach dem Bericht zwei wesentliche Schulungsaufgaben genannt. So müsse man den ehemaligen DDR-Bürgern das Grundgesetz und die Prinzipien der freiheitlich-demokratischen Rechtsordnung nahebringen. Zum anderen sei davon auszugehen, „daß die neuen Mitarbeiter die nachrichtendienstliche Beschaffungs- und Bewertungsarbeit völlig neu erlernen müssen“. Es verstehe sich von selbst, daß ein Rückgriff auf „fachlich vorgebildetes Personal“ der früheren DDR-Nachrichtendienste nicht in Betracht komme. Nach Informationen der taz hat das Bundesinnenministerium im 3. Nachtragshaushalt allein 148 Stellen für das Bundesamt für Verfassungsschutz gefordert, deren Inhaber ausschließlich in der ehemaligen DDR tätig werden sollen. Dafür sollen 50 Stellen neu geschaffen werden, die restlichen werden durch Personalabbau in anderen VS-Bereichen gen Osten umgeschichtet. Die massiven Stellenforderungen der Verfassungsschützer stoßen nach Berichten der 'Süddeutschen Zeitung‘ ausgerechnet in Bayern auf Kritik. In einem Fernschreiben hat das bayerische Innenministerium sich befremdet gezeigt, daß neue Stellen geschaffen werden sollen, obwohl durch die politische Entwicklung die „Extremismusbedrohung" aus dem früheren kommunistischen Machtbereich abgenommen habe. Diese Kritik wird auch von vielen SPD-regierten Bundesländern geteilt.
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