: VONPETERBEHREND
EINJUGENDFILM ■ MONDJÄGER-oder das Ende einer Kindheit
Es ist ein Problem mit den Problemen dieses Jahrzehnts: Sie mögen noch so ernst und brennend sein, irgendwann, und wenn es nur ein schwacher Moment ist, mag man es nicht mehr hören. Einer der Gründe für solchen Überdruß liegt vielleicht darin, daß zu viele Imagebedürftige eben diese Probleme nutzen, um sich mal wieder in's rechte Licht zu rücken oder Plattenkäufe anzukurbeln und dergleichen mehr. Das widersprüchlichste Beispiel für solch einen Vermarktungsmechanismus ist sicherlich das Schicksal des brasilianischen Regenwaldes.
Manche Leute gibt es auch, die meinen es ernst und wollen ihre Prominenz nur für einen guten Zweck nutzen. Die müssen dann hoffen, daß man es ihnen auch abnimmt.
Dergleichen Sorgen hat »Mondjäger«- Regisseur Peter Behrend nicht. Die nach seinem Studium der Geschichte, Soziologie, Theater- und Amerikawissenschaften produzierten Fernsehfilme waren nicht spektakulär genug, um ihn in die Klatschspalten der gehobenen Kulturmagazine rücken zu lassen. Natürlich macht ihn das glaubwürdig.
Sein Kameramann Adrian Cooper hat einige Erfahrungen mit dem Filmen in Lateinamerika. Als 23jähriger zog er nach Mexiko, um dort zu arbeiten, lebte bis zum Putsch in Chile und wirkte seitdem an verschiedenen Filmproduktionen in Brasilien mit.
»Mondjäger« übernimmt seinen Titel von einer indianischen Sage. Die Sonne hat sich in den Mond verliebt. Leider dürfen sie sich nicht bewegen, die Erde würde sonst verbrennen. Nur in der Vollmondnacht kommen sie sich nahe: das ist die Stunde der Wahrheit. Mondjäger bringen die beiden dann wieder auf ihre alltägliche Bahn zurück.
Dieses Märchen hat Katrin von ihrem Vater gehört. Katrin lebt mit ihrer Mutter in Deutschland, der Vater arbeitet als Agraringenieur irgendwo in Brasilien. Eines Tages erfährt sie, daß er bei seiner Arbeit tödlich verunglückt ist. Sie und ihr Großvater brechen nach Brasilien auf, um Näheres über den Tod des Vaters zu erfahren. Doch die dortige Polizei weiß nichts oder will nichts wissen, ehemalige Arbeitskollegen des Toten benehmen sich ähnlich.
Katrin trifft einen jungen Indianer, der mit ihr den Amazonas hinab bis in sein Geburtsort fährt, denn irgendwo dort in der Nähe ereignetete sich das Unglück. Katrin wird Zeugin eines Initiationsrituals: ihr Freund und die anderern Jungen des Dorfes werden zu Kriegern geweiht.
Doch auch in ihr geht eine einschneidende Veränderung vor: Sie erfährt, wie die Wirklichkeit aussieht und daß weiße Großgrundbesitzer kein Verbrechen scheuen, um sich am Land der Ureinwohner zu bereichern. Das Wrack des Flugzeugs, mit dem ihr Vater abstürzte, ist von Maschinengewehrsalven durchsiebt. Er war mit seiner Arbeit den Großgrundbesitzern im Wege.
Das ist für Katrin die Stunde der Wahrheit. Sie wird weiter ihren Weg gehen und der Indianerjunge den seinen. Allerdings werden ihnen keine Mondjäger helfen, die richtige Richtung zu finden; dafür sind sie allein verantwortlich.
Kurz vor Abschluß der Dreharbeiten wurde der Regisseur von der brasiliansichen Polizei verhaftet und des Landes verwiesen. Man warf ihm vor, er habe das Abholzen der Regenwälder gefilmt. Allein das beweist, wie dringend nötig dieser Film ist.
Der Film läuft im Alhambra, im Moviemento, im Rio, in der Filmbühne am Steinplatz und im Union
Holger Jancke
taz lesen kann jede:r
Als Genossenschaft gehören wir unseren Leser:innen. Und unser Journalismus ist nicht nur 100 % konzernfrei, sondern auch kostenfrei zugänglich. Texte, die es nicht allen recht machen und Stimmen, die man woanders nicht hört – immer aus Überzeugung und hier auf taz.de ohne Paywall. Unsere Leser:innen müssen nichts bezahlen, wissen aber, dass guter, kritischer Journalismus nicht aus dem Nichts entsteht. Dafür sind wir sehr dankbar. Damit wir auch morgen noch unseren Journalismus machen können, brauchen wir mehr Unterstützung. Unser nächstes Ziel: 40.000 – und mit Ihrer Beteiligung können wir es schaffen. Setzen Sie ein Zeichen für die taz und für die Zukunft unseres Journalismus. Mit nur 5,- Euro sind Sie dabei! Jetzt unterstützen