: Usbeken und Kirgisen bekriegen sich
■ Zehn Tote und über 200 Verletzte bei Nationalitätenkonflikt in Kirgisien / Kirgisen wollten Bauland der Leninkolchose besetzen
Berlin (afp/taz) - Mindestens elf Menschen sind am Dienstag bei einem Nationalitätenkonflikt in der zentralasiatischen Sowjetrepublik Kirgisien getötet, über 210 sind verletzt worden. Der Oberste Sowjet der Republik rief den Ausnahmezustand über das Gebiet um Osch aus, das im südlichen Teil der Republik liegt. Einheiten der Sondertruppen des Innenministeriums patroullieren im Krisengebiet. Zwischen 22 und 6 Uhr ist eine nächtliche Ausgangsperre ausgerufen worden. An den nationalistisch motivierten Auseinandersetzungen sollen nach offiziellen Angaben 10.000 Usbeken und 15.000 Kirgisen beteiligt gewesen sein. 51 Personen wurden festgenommen. Laut dem Informationsdienst von Radio Moskau dauerten die Auseinandersetzungen auch gestern im Laufe des Tages weiter an.
Zu den Zwischenfällen sei es gekommen, weil eine Gruppe von Kirgisen „beschlossen hatte, Felder der Leninkolchose für den Bau von Wohnhäusern zu nutzen, während die Usbeken den Ackerboden verteidigten“, hieß es in einer Darstellung der sowjetischen Nachrichtenagentur 'tass‘. Die Kirgisen hätten den Boden in der Nähe der Provinzhauptstadt Osch als Bauland gefordert, weil die Wohnsituation in ihrem Gebiet besonders beengt sei. Daraufhin seien usbekische Landarbeiter den Kirgisen entgegengetreten. In dem Gebiet stellen Kirgisen etwa 50 Prozent der Bevölkerung, Usbeken etwa 30 Prozent.
In der Auseinandersetzung mischen sich nationalistische und soziale, nicht aber religiöse Motive. Es handelt sich bei beiden Volksgruppen um sunnitische Moslems. Wahrscheinlich spielt das Wohlstandsgefälle zwischen Usbeken, die traditionell Ackerbauern, und Kirgisen, die traditionell Nomaden sind, bei dem Konflikt eine Rolle. Viele Usbeken fordern den Anschluß des Gebietes an die benachbarte Sowjetrepublik Usbekistan.
Daß Parteifunktionäre kaum mehr Einfluß auf die Bevölkerung haben, zeigt der Verlauf der Ereignisse. Sie forderten vergeblich zur Ruhe auf. Selbst als die Sicherheitskräfte in die Luft schossen, gingen usbekische Jugendliche mit Molotowcocktails gegen sie vor. 21 Soldaten wurden dabei verletzt. Anschließend zog die Menge in Richtung Osch, zündete auf dem Weg sieben Häuser und mehrere Fahrzeuge an und plünderte einige Geschäfte. Auch Gefängnisse wurden nach offiziellen Angaben angegriffen.
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