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Urteilsverkündung im RAF–Prozeß

■ Der Zweite Strafsenat am Oberlandesgericht Stuttgart hat Karl–Friedrich Grosser zu neuneinhalb Jahren Haft verurteilt / Bundesanwaltschaft bezeichnete ihn als „Überzeugungstäter“ mit engen Beziehungen zur RAF

Aus Stammheim D. Willier

So unspektakulär wie der Stammheimer Prozeß gegen Karl Friedrich Grosser vor zwei Monaten begonnen hatte, war er gestern mit dem Urteil des Zweiten Senats am Oberlandesgericht Stuttgart auch schon wieder zu Ende. Wegen Unterstützung der RAF, gemeinschaftlichen schweren Raubes, gefährlicher Körperverletzung und Urkundenfälschung verurteilte der Zweite Strafsenat am Oberlandesgericht Stuttgart gestern nachmittag den 31jährigen Heidelberger Philosophiestudenten Karl–Friedrich Grosser. Auf Mitgliedschaft, von der Bundesanwaltschaft angeklagt, wollte der Vorsitzende Richter, Friedrich Nagel nicht erkennen. Die bei dem Überfall auf die zwei Geldbotinnen der Coop im vergangenen Jahr in Ludwigsburg verwendeten Waffen, nämlich ein Flachmeißel und eine Gaspistole, aber auch ein als Fluchtfahrzeug verwendetes Fahrrad und die Art und Weise des Überfalls auf die Geldbotinnen sind nach Ansicht von Richter Nagel nicht RAF–typisch. In ihrem Plädoyer hatte die Bundesanwaltschaft eine Freiheitsstrafe von 12 Jahren wegen Mitgliedschaft in einer terroristischen Vereinigung, gemeinschaftlichen schweren Raubes mit Körperverletzung und Urkundenfälschung gefordert. Sie warf Grosser, der von einem Stamm heimer Strafsenat schon einmal wegen Unterstützung der RAF zu drei Jahren Haft verurteilt worden war, vor, zusammen mit einer weiteren Person in der Ludwigsburger Filiale der Landesgirokasse zwei Geldbotinnen niedergeschlagen und die mitgeführten Geldbomben geraubt zu haben. Den Vorwurf der Mitgliedschaft in der RAF hatte die Bundesanwaltschaft mit einem Briefwechsel aus der Haft zwischen Grosser und dem RAF–Mitglied Christian Klar begründet. In ihrem Plädoyer hatte die Bundesanwaltschaft Grosser einen „Überzeugungstäter“ genannt, der schon Mitte 1983 engere Beziehungen zur RAF geknüpft habe. Bereits im vergangenen Jahr will die Bundesanwaltschaft in Grossers Zelle Zeitungsausschnitte gefunden haben, in denen der Name des Siemensmanagers Kurt Beckurts unterstrichen worden war. In seiner gestrigen Erklärung meinte Grosser, ihn ginge ohnehin wenig an, „was hier gelaufen ist“. Er habe unter Kontakt– und Kommunikationssperre gestanden, wichtige Prozeßunterlagen seien aus seiner Zelle genommen worden. Die BRD, so Grosser, sei dabei, den Boden für Staatsterrorismus zu bereiten, und in Anlehnung an Äußerungen des Bundeswirtschaftsministers Bangemann sagte er: „Die BRD befindet sich seit dem Attentat auf den Bonner Diplomaten von Braunmühl im Kriegszustand mit der RAF und dem antiimperialistischen Widerstand“. Die politisch–militärische Front des Imperialismus, so glaubt Grosser, werde ohnehin zusammenbrechen, es gebe viele neue Berührungspunkte (der RAF) mit der „militanten Linken“ in Westeuropa. Schon in seinem ersten Prozeß und dann später nach seiner Entlassung sei ihm klar geworden, daß er kämpfen wolle.

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