Urteil zur „Judensau“ in Wittenberg: Auf die Absicht kommt es an

Die antisemitische Schmähplastik darf an der Wittenberger Kirche bleiben. Sie ist nicht beleidigend, weil sie in ein Gedenkkonzept eingebettet ist.

Eine mittelalterliche Skulptur, die ein Schwein zeigt

Sau des Anstoßes in Wittenberg Foto: Hendrik Schmidt/dpa

Die „Judensau“ bleibt. Die antisemitische Schmähplastik aus dem 13. Jahrhundert kann an der Wittenberger Stadtkirche sichtbar bleiben, weil sie in ein Gedenkkonzept mit einer Bodenplatte und einer Informationsstele eingebunden ist. Das entschied am Dienstagnachmittag das Oberlandesgericht Naumburg, das oberste Gericht des Landes Sachsen-Anhalt. Es liege keine Beleidigung der in Deutschland lebenden Juden durch die Wittenberger Kirchengemeinde vor.

Das Urteil überzeugt. Die evangelische Kirchengemeinde wollte bei ihrer Entscheidung, die Schmähplastik zu belassen, eben nicht Juden verächtlich machen – und hat das auch nicht billigend in Kauf genommen. Vielmehr wollte sich die Kirchengemeinde der eigenen Geschichte stellen: Der historische christliche Antisemitismus sollte sichtbar bleiben, gerade auch an der Wittenberger Kirche Luthers, der selbst ein übler Antisemit war.

Ob die konkrete Auseinandersetzung in der Lutherstadt Wittenberg geglückt ist, steht auf einem anderen Blatt. Die Bewertung von Gedenkkonzepten sollte aber der gesellschaftlichen Diskussion überlassen bleiben und nicht durch Gerichte entschieden werden. Die Kritik an der umständlichen Distanzierung der Wittenberger Christen ist ein Fall fürs Feuilleton und seine Debatten, nicht für juristische Unterlassungsklagen.

„Eine Beleidigung bleibt eine Beleidigung, ob man sie kommentiert oder nicht“, sagte Landesbischof Friedrich Kramer im Vorjahr. Das klingt gut, ist aber kurzschlüssig. Denn dann wäre es sogar verboten, die Judensauplastik – pädagogisch aufbereitet – in einem Museum zu zeigen. Und genau das hatte der Kläger des Naumburger Verfahrens – ein konvertierter Bonner Jude – ja gefordert.

Zu Recht kommt es also immer auf die Absicht und den Kontext an. Deshalb ist auch das durchgestrichene und zertretene Hakenkreuz als Symbol der Antifa-Bewegung durchaus erlaubt – obwohl das Zeigen von NS-Symbolen an sich strafbar ist. Nazis können deshalb weder das durchgestrichene Hakenkreuz noch die Judensau für ihre Zwecke nutzen.

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Geboren 1965, Studium in Berlin und Freiburg, promovierter Jurist, Mitglied der Justizpressekonferenz Karlsruhe seit 1996 (zZt Vorstandsmitglied), Veröffentlichung: „Der Schiedsrichterstaat. Die Macht des Bundesverfassungsgerichts“ (2013).

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