: Urteil gegen „Nestbeschmutzer“
■ 10 Monate Gefängnis auf Bewährung für Ex–Polizisten und WAA–Demonstrant / Verurteilter war gegen Übergriffe seiner Kollegen eingeschritten / Vorwurf des Landfriedensbruchs fallengelassen
Aus Schwandorf Bernd Siegler
Zu zehn Monaten Haft auf Bewährung verurteilte das Schöffengericht einen ehemaligen Polizeibeamten, der Übergriffe seiner Kollegen am WAA–Bauzaun nicht mehr mitansehen konnte und zur Selbsthilfe gegriffen hatte. Johann Weigl (24) aus Ensdorf (Oberpfalz) war bereits im Winter beim Hüttendorf dabei und ist nach eigenen Angaben mehrmals Zeuge von Polizeiübergriffen geworden. Er beobachtete Beamte in Zivil, die die Stimmung angeheizt und für Unruhe gesorgt haben. „Ich würde sie als Provokateure bezeichnen“, meinte er dazu. Am 16. März beobachtete er am Bauzaun, wie ein Polizist einem schmächtigen Demonstranten einen Knüppel in den Bauch gerammt hatte. Weigl wollte dem Demonstranten zu Hilfe kommen, umklammerte einen Beamten von hinten und zog ihn weg. „Ich konnte die Ungerechtigkeit nicht mitansehen und handelte unbewußt, ohne an die Folgen zu denken.“ Daraufhin wurde Weigl mit einem Schlagstock gewürgt. Als andere Beamte ihn festnehmen wollten, trat Weigl einen Polizisten mit dem Knie in den Unterleib. Da der ehemalige oberpfälzer Polizeipräsident Hermann Friker den Ex–Polizisten vorher bei einem Steinwurf genau gesehen haben will, wertete Staatsanwalt Raum Weigls Verhalten als schweren Landfriedensbruch, versuchte und vorsätzliche Körperverletzung sowie Widerstand. Er forderte 16 Monate ohne Bewährung für den Ex–Polizisten. Weigl selbst bestreitet entschieden den Steinwurf und den Widerstand bei der Festnahme. Er spricht in diesem Zusammenhang von Lüge und von einem „geschickt eingefädelten Komplott“, um einen „Nestbeschmutzer“ wie ihn hinter Gitter zu bringen. Obwohl das Schöffengericht dem Ex– Polizeipräsidenten mehr Glauben schenkte als dem Ex–Polzisten, ließ es den Vorwurf des Landfriedensbruch fallen. Weigls Vater, der seinem Sohn zu Hilfe kommen wollte, wurde zu 600 DM Geldstrafe verurteilt. Zwei Monate nach dem Vorfall quittierte Weigl den Dienst.
taz lesen kann jede:r
Als Genossenschaft gehören wir unseren Leser:innen. Und unser Journalismus ist nicht nur 100 % konzernfrei, sondern auch kostenfrei zugänglich. Texte, die es nicht allen recht machen und Stimmen, die man woanders nicht hört – immer aus Überzeugung und hier auf taz.de ohne Paywall. Unsere Leser:innen müssen nichts bezahlen, wissen aber, dass guter, kritischer Journalismus nicht aus dem Nichts entsteht. Dafür sind wir sehr dankbar. Damit wir auch morgen noch unseren Journalismus machen können, brauchen wir mehr Unterstützung. Unser nächstes Ziel: 40.000 – und mit Ihrer Beteiligung können wir es schaffen. Setzen Sie ein Zeichen für die taz und für die Zukunft unseres Journalismus. Mit nur 5,- Euro sind Sie dabei! Jetzt unterstützen