Urteil für Flughafenattentäter: Wie der Dschihad deutsch wurde
Arid Uka wurde durch deutschsprachige Propaganda im Internet indoktriniert. 2006 gilt als Jahr, in dem erstmals Dschihad-Webseiten auf Deutsch erschienen.
FRANKFURT/MAIN taz | Noch vor wenigen Jahren wäre eine Radikalisierung wie die von Arid Uka undenkbar gewesen. Das Internet gab es da natürlich schon, aber Dschihad-Propaganda im Netz war vor allem auf Arabisch, selten auf Englisch und so gut wie nie auf Deutsch.
Das hat sich längst geändert. 2006 gilt als das Jahr, in dem der Dschihad im Internet auch Deutsch wurde. Da gründete sich ein deutschsprachiger Ableger der "Globalen Islamischen Medienfront" (GIMF). Als ihr Chef, der Wiener Mohamed Mahmoud, 2007 verhaftet wurde, machte eine Gruppe von Schreibtisch-Dschihadisten in Deutschland weiter mit der Propaganda - der Jüngste war gerade mal 14 und stellte Videos ins Netz, in denen Islamisten im Irak Geiseln köpfen. Immer wieder machen die Behörden solche Seiten dicht und nehmen die Betreiber fest. Doch meistens dauert es nicht lange, bis an einer anderen Stelle ein neues Forum oder ein neuer Blog aufmacht. "Es ist völlig utopisch, das Netz von dschihadistischen Inhalten säubern zu wollen", sagt Nico Prucha von der Universität Wien.
Der Flughafenattentäter Arid Uka ließ sich auf verschiedenen Internetseiten indoktrinieren. Eine davon hieß islambruederschaft.com, sie ist inzwischen offline, gegen den mutmaßlichen Betreiber wurde Anklage erhoben. Als die Seite noch im Netz war, lud Uka sich dort Videos von der "Islamischen Bewegung Usbekistan" (IBU) herunter, einer im afghanisch-pakistanischen Grenzgebiet agierenden Terrorgruppe, der sich auch Deutsche angeschlossen haben.
Großen Einfluss auf Uka hatten die Bonner Brüder Yassin und Monir Chouka, die seit 2009 in Clips der IBU auftauchen, unter anderem mit Dschihad-Hymnen auf Deutsch. Eines dieser Kampflieder hörte Uka auf dem Weg zum Attentat über den iPod: "Mutter bleibe standhaft, dein Sohn ist im Dschihad."
taz lesen kann jede:r
Als Genossenschaft gehören wir unseren Leser:innen. Und unser Journalismus ist nicht nur 100 % konzernfrei, sondern auch kostenfrei zugänglich. Texte, die es nicht allen recht machen und Stimmen, die man woanders nicht hört – immer aus Überzeugung und hier auf taz.de ohne Paywall. Unsere Leser:innen müssen nichts bezahlen, wissen aber, dass guter, kritischer Journalismus nicht aus dem Nichts entsteht. Dafür sind wir sehr dankbar. Damit wir auch morgen noch unseren Journalismus machen können, brauchen wir mehr Unterstützung. Unser nächstes Ziel: 40.000 – und mit Ihrer Beteiligung können wir es schaffen. Setzen Sie ein Zeichen für die taz und für die Zukunft unseres Journalismus. Mit nur 5,- Euro sind Sie dabei! Jetzt unterstützen
meistkommentiert
BSW in Koalitionen
Bald an der Macht – aber mit Risiko
Dieter Bohlen als CDU-Berater
Cheri, Cheri Friedrich
Hybride Kriegsführung
Angriff auf die Lebensadern
Kinderbetreuung in der DDR
„Alle haben funktioniert“
Selbstzerstörung der FDP
Die Luft wird jetzt auch für Lindner dünn
Stellungnahme im Bundestag vorgelegt
Rechtsexperten stützen AfD-Verbotsantrag