Im Zug : Urlaubsbekanntschaft
Der Zug sollte von Lübeck nach Hamburg fahren, aber er hielt wegen eines technischen Problems und die Dame gegenüber stöhnte über die Hitze. Es war eine heitere Dame in einer Bluse, deren obersten Knopf sie wegen der Wärme geöffnet hatte. „Ist es in Ordnung so?“, fragte sie. Manchmal ist es schwierig zu sagen, wann sich das Gespräch von der Temperatur auf das Grundsätzliche verlagert, wobei es ja selten das Grundsätzliche in Reinform ist. Man hört etwas über die Heimat in Ostpreußen, über den schon gestorbenen Bruder und über „Sturm der Liebe“, eine Serie, die die Dame dringlich noch erreichen wollte.
Die Urlaubsbekanntschaft in Travemünde schob sich sozusagen dazwischen, auf Beinen, die, wie sie sagte, sich jünger gemacht hatten, als sie waren. Es muss eine sehr heitere Urlaubsbekanntschaft gewesen sein, „ich habe noch nie so viel gelacht“, sagte die Dame und lachte noch einmal. „Einsamkeit ist traurig“, sagte sie. Aber der Mensch in Travemünde war nicht nur heiter, sondern auch geizig, und als er sie zum Abschied zum Essen einlud, zogen sie von einem Restaurant zum nächsten, weil ihm alle zu teuer waren. Er sagte, dass er gern alt mit ihr würde, aber als er sie zu sich einlud, ließ er wissen, dass sie nicht mit einer Stadtführung und anderem Luxus rechnen dürfe. Sie fuhr nicht hin.
Die Dame sagte, dass er ein guter Tänzer gewesen sei und dass sie fast einmal zusammen auf der Kurpromenade zusammen getanzt hätten, aber dass er ohne Hemd gekommen sei und so mit ihm zu tanzen, das sei ihr zu peinlich gewesen. „Willst Du mit dem Hemd tanzen?“, habe er gefragt, aber es half nichts. Jetzt hat sie ihn schon seit Jahren nicht mehr gesehen. „Vielleicht ist er schon tot.“ Aber immer, wenn sie nach Travemünde kommt, hält sie Ausschau nach ihm, bei den Schachspielern, da hat er immer zugesehen. grä