■ Urdrüs wahre Kolumne: Welches Schwein ist gemeint?
Ex-Marktmeister Wolfgang Ahrens war dank seines Rund-um-die-Uhr-Engagements für Freimarkt, Osterwiese und andere Lustbarkeiten von ähnlicher Prominenz wie vor ihm wohl nur noch Bomben-Profi Harry Warrelmann. Ebenso wie die Sprengmeister-Legende im öffentlichen Dienst riskierte Ahrens für das Wohl dieser Stadt beim Testen von hochtechnologischen Fahrgeschäften mit Schütteltrauma-Qualität immer wieder Kopf und Kragen. Mußte die Leber in Verhandlungen mit trinkfesten Rummel-Bossen auf allen großen Volksfesten der Republik strapazieren und wurde dafür von den Mandelbuden-Onkels und anderen Haut-den-Lukassen gelegentlich vielleicht mit ein paar Scheinen für unbezahlte Überstunden entlohnt. Daran mögen blutarme Puristen Anstoß nehmen und sich neidaffige Sesselfurzer reiben: Wenn die Betreiber solcher kleinkarierten Kampagnen so weitermachen, werden sie noch die letzten Leistungsträger aus diesem Kirchspiel verjagen. Übrig bleiben die beleidigten Leberwürste, die alle Zeit der Welt haben und verbohrt genug sind, um sich vor Verwaltungsgerichten und anderen Instanzen darüber zu streiten, ob ihnen nicht nach 30 und mehr Jahren Ärmelschonertätigkeit die Beförderung zum Amtsleiter zusteht. Wilhelm Kaisen selig aber hätte solche Musterknaben mit Hühnerscheiße beworfen und dafür von mir mit voller Anerkennung einen Wacholder im Blockland spendiert bekommen!
Auch so ein gefallener Engel ist Hans-Georg von Bock und Pollach, den ich zwar zu Zeiten seiner Tätigkeit als Staatsschützer für einen ausgemachten Nasenbär gehalten habe, der sich aber durch sein pharaonenwürdiges Aktengrab in beispielloser Weise um die praktisch-anarchistische Kritik an der Justiz verdient gemacht und dadurch voll rehabilitiert hat. Ihn ausgerechnet für die verdienstvollen Seiten seines beruflichen Handelns vor Gericht zu zerren, fordert eine Solidaritätskampagne „Freispruch für Schorse“ geradezu heraus. Rügen wollen wir insbesondere den vorsitzenden Schwarzkittel des Amtsgerichts. Und zwar, weil er den Herrn Kollegen so infam auf's Glatteis der Beamtenbeleidigung lockte, als er auf Böckchens Einlassung „Da hat sich kein Schwein drum gekümmert“ die Nachfrage stellte „Welches Schwein meinen Sie?“. Zum Glück hat der Angeklagte die Provokation erkannt und nicht im Furor menschlicher Enttäuschung die Liste der Teilnehmer vom letzten gemeinsamen Betriebsausflug der Justizbehörden aus dem Gedächtnis zitiert.
Daß mein ökumenischer Katholen-Bruder (Wilhelm) Tack(e) Gefahren für's moderne Image seiner Kirche durch sentimental-traditionelle Weihrauch-Inszenierungen der polnischen Herde in St. Laurentius befürchtet und deshalb die Vertreibung dieser Gläubigen aus dem Hause ihres Vaters durch die Abrißbirne unterstützt, das in der Tat nenne ich wenig christlich: „In meines Vaters Haus sind viele Räume“, predigte uns der mildtätige Zimmermannssohn auf dem Esel, und da muß doch auch Platz für ein paar rührselige Heimatrituale sein! Ich selbst jedenfalls habe vor ein paar Monaten einen zufälligen Besuch der Heiligen Messe in der Vahr genossen wie ein herziges Pur-Pfeifchen am Waller Baggersee ... . Im übrigen sei daran erinnert, daß olle Marx die Kirche nicht als Opium für das Volk denunziert, sondern als Opium des Volkes analysiert: Schmerzmittel der gequälen Menschheit, in Selbstmedikation sinnvoll einzusetzen, bis die richtige Therapie gefunden ist. Gewidmet allen Verdammten dieser Erde, denen sonst Underberg & Co. über den Berg des Alltäglichen helfen. Amen!
Am Molkerei-Kühlregal in der Lebensmittelabteilung von Karstadt leert vor meinen Augen ein gut 70jähriges Mütterlein in diskreter, aber keineswegs versteckter Weise einen Becher Fruchtbuttermilch, bemerkt meinen leicht verwunderten Blick und bietet mir mit souveräner Geste an „Probierense auch mal, das bekommt einem gut bei der Witterung“. Da es sich nicht um die Geschmacksrichtung Zitrone handelte, habe ich die Offerte allerdings dankend abgelehnt. Und mich doch gefreut, wie das Volk im praktisch-antimonopolistischen Kampf zusammenwächst.
Ein Wochenende in der Hängematte oder auf der besseren Seite der Barrikade wünscht
Ulrich „Godemichel“ Reineking
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