■ Urdrüs wahre Kolumne: Die Magie der kleinen Zahl
Kaum ist der Stummelschwanz des Osterhasen irgendwo im Dickicht des Stadtwalds verschwunden, da stellt der kariesfördernde Fachhandel für Süßwaren und Artverwandtes schon seine Grabbeltische vor das Schaufenster, auf denen man Schnäppchen in Schoko und Marzipan mit und ohne Knickebeinfüllung schlagen kann. Dieses Jahr ist der Preissturz so rasch und drastisch wie selten zuvor: Die große Tüte mit den Nougateiern, die am Ostersamstag noch für vierfuffzig zu haben war, wird plötzlich für zweidreissig über den Ladentisch geschoben, was im Endesunterzeichneten jedem Diabetes melittus zum Trotz einen Kaufrausch auslöste, der zum Spontan-Erwerb von drei Tüten nötigte. Nach dem Bezahlen folgte der Katzenjammer: Hat dieser betrügerische Handelsmann doch seinen Ursprungspreis in arglistiger Täuschung mit D-Mark gekennzeichnet, wodurch die Reduktion auf den Euro-Tiefpreis natürlich relativ unerheblich ist. Reingefallen auf die Magie der kleinen Zahl. Und wie ich den Chef des Unternehmens auf diese Frechheit anspreche, will er mich in meinem Verbraucherzorn doch tatsächlich mit dem Hinweis auf einen kleinen Aprilscherz beruhigen, den ich offenbar als erster und einziger nicht schmunzelnd zur Kenntnis genommen hätte.
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Schön, dass Bremen die protektionistischen Stahlzölle der USA kritisiert. Falls der Senat deshalb irgendwelche World Trade Center Bremen-Leute zum Protest mit angeschlossener Ground Zero-Besichtigung übern Teich schickt, sollte man aber doch gleich mal minimalste Menschenrechte, wenn nicht sogar die sofortige Freilassung unseres bremisch-islamistischen Landsmanns einfordern, der im Militär-Foltercamp von Guantanamo unter fadenscheinigsten Vorwänden inhaftiert ist: Immerhin weilt derzeit schon ein Prisenkommando des Bremer Buchtstraßenchors auf Kuba, der den Fall vielleicht mit einer musikalisch-internationalistischen Sturmaktion löst, im Geist von dem, der stets wahr und stets klar war, Commandante Che Guevara!
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Du sollst Gott mehr gehorchen denn den Menschen, rufe ich in ökumenischer Solidarität als reformierter Gemeindevertreter dem wackeren Priester aus Papenburg zu, dem das Oberlandesgericht jetzt über 2.000 Euro abknöpfen will, weil er einer kurdischen Familie Kirchenasyl gewährt hat. Und an gläubige wie ungläubige Bankräuber, Millionenquiz-Gewinner und sonstige Emsländer, die noch etwas Herz und ein paar Scheine auf der Tasche haben, appelliere ich: Gebt dem redlichen Hirten reichlich, denn solche Opfer gefallen IHM wohl.
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Kotztausendnoch eins: Jetzt fällt der Hopfen & Malz-Imperialismus von Interbrüh auch noch in China ein, um nach der Machtergreifung bei Beck's in Bremen auch den dortigen Biermarkt im Ungeist des Shareholder Value mit seiner Konzernplörre zu überfluten. Warum eigentlich tun anständige Wirte und die paar überlebenden Kneipenkollektive nicht alles dafür, dass dem trinkenden Volk Alternativen durch konzernunabhängige Biere mittelständischer Betriebe geboten werden? Den Kontakt zur Schaumburger Privatbrauerei stelle ich auf Wunsch gern und selbstverständlich provisionsfrei her: Wenn wir schon nicht immer korrekt handeln können in diesem Reich der Käuflichkeit, so sollten wir wenigstens korrekt trinken dürfen!
Ulrich „Schwarze Kunst“ Reineking
PS: Falls eine(r) der BesucherInnen meines heutigen Programms in der GaDeWe über ein Kazoo verfügt, bitte ich herzlichst, mir dieses leihweise zur Verfügung zu stellen. Gibt auch'n Pils dafür!
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