: Uralte Tradition
■ Der Schriftsteller Mojtaba Shamsrizi lud Hamburger Lehrer zum iranischen Neujahrsfest Von Marcus Peter
Einst wurden die Perser von dem Tyrannen Sahak terrorisiert. Schlangen wuchsen auf dessen Schultern, und die mußten jeden Tag mit dem Blut eines jungen Mannes genährt werden. Der Schmied Kaweh, der bereits sechs seiner sieben Söhne geopfert hatte, wollte den letzten nicht auch noch verlieren und blies zum Aufstand. Der Sturz gelang, der Tyrann wurde erschlagen und seine Burg dem Erdboden gleichgemacht.
Diese Sage ist zweieinhalbtausend Jahre alt und eine von vielen, die den Ursprung des Nouruz-Festes erklärt. Dabei bedeutet Nouruz – oder auf kurdisch Newroz – übersetzt nicht viel mehr als „Neuer Tag“. Mit diesem Fest wird das neue islamische Jahr am Tag der Tag- und Nachtgleiche feierlich begangen.
Zu einer kleinen Feier mit kulturgeschichtlichen Anmerkungen hatte am Montag abend der iranische Schriftsteller Mojtaba Shamsrizi im Rahmen einer Lehrerfortbildung geladen. Idee war es, die Hintergründe dieses wichtigen islamischen Festes zu erläutern und es anschließend gemeinsam zu begehen. Rund 150 Hamburger Lehrer und iranische Freunde und Bekannte folgten seiner Einladung ins Kampnagel-Casino.
„Gerade in der deutschen Öffentlichkeit wird das Neujahrsfest nur noch mit Auseinandersetzungen um die Kurden gesehen, der eigentliche Hintergrund geht dabei vollkommen verloren“, erklärte Shamsrizi seine Intention. Weil der türkische Staatsgründer Kemal Atatürk 1923 mit der Feier des islamischen Jahreswechsels auch das kurdische Neujahrsfest verboten hatte, nahmen die um ihren eigenen Staat kämpfenden Kurden dies zum Anlaß, das Fest in den 80er Jahren zu ihrem Nationalfeiertag zu erklären. Doch die Tradition, erzählt Shamsrizi, ist uralt. So finden sich Festszenen auf Reliefs am Palast in Persepolis, die sich auf 500 v. Chr. zurückdatieren lassen und auf die staatstragende Bedeutung des Nouruz-Festes hinweisen. Mit der Islamisierung um 650 wurde Nouruz dann als religiöse Feier in den islamischen Festkalender aufgenommen.
Das Fest beginnt mit Reinigungszeremonien: Überall werden Feuer angezündet, die Menschen springen darüber und lassen damit alles Schlechte des alten Jahres hinter sich. Europäische Rituale wie der traditionelle Frühjahrsputz oder die Osterfeuer könnten ähnliche Hintergründe haben.
Mittelpunkt des Festes ist, und war es auch an diesem Abend , die Zubereitung des sogenannten „Sofreje Haft-Sin“. Gegenstände mit symbolischer Bedeutung, z. B. Granatäpfel, die für Fruchtbarkeit stehen, oder Kerzen, die ein Zeichen für Helligkeit und Wärme sind, werden auf der Sofre – der Tischdecke – aufgestellt. Besonders feierlich wurde die Sofre am Montag bereitet: Tänzerinnen brachten die Gaben zu traditioneller iranischer Musik auf den Tisch.
Eigentlich wird dann noch fünf Tage weitergefeiert. Das Nouruz-Fest auf Kampnagel endete nach einigen Stunden gemeinsamen Tanzes noch in der gleichen Nacht.
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