: Unwissenheit oder Mikrozensus
■ betr.: „Haben oder arm sein“, von Barbara Dribbusch, „Ein Abend mit der Mikrozensorin“, von Silke Burmester, taz vom 29/30. 8. 98
Auf Seite 2 der taz und dem Artikel auf Seite 24 zeigt sich das speziell deutsche Dilemma zwischen Information und Datenschutz.
Barbara Dribbusch analysiert zunächst die Ergebnisse der Einkommens- und Verbrauchsstichprobenstatistik sowie des sozioökonomischen Panels unter dem Gesichtspunkt, ob sich Vermögenswerte in immer weniger Händen konzentrieren, und kommt zu keiner Antwort – es fehlen nämlich die Datengrundlagen. Der Leser fragt sich, auf welcher Grundlage eigentlich in Deutschland Politik gemacht wird.
Die erfolgreiche Volkszählungsboykotteurin Silke Burmester versucht – zwar erfolglos –, ihrer Mikrozensorin unrichtige Angaben unterzuschieben, anscheinend mit dem Ziel, Statistiken zu verfälschen, und beklagt die mangelnde Vertraulichkeit der Interviewerin.
Ich meine: Diese Geschwätzigkeit der Interviewerin ist schlimm. Als nicht mehr, aber auch nicht weniger, ist diese Plauderei zu bezeichnen.
Es fehlen offensichtlich Informationen, um Reiche angemessen besteuern zu können und Arme nicht übermäßig belasten zu müssen. Der Mikrozensus ist derzeit das beste Instrument, gesellschaftliche Entwicklungen zu beschreiben; ohne seine Informationen müssen die ArchitektInnen der Gesellschafts- und Sozialpolitik Häuser bauen, die schon jetzt zu oft zur falschen Zeit am falschen Platz entstehen und deshalb von falschen BewohnerInnen bezogen werden.
Zuverlässige, von allen akzeptierte Informationsquellen schützen nicht vor falscher, sie sind aber zwingende Voraussetzung für eine gute Politik auch im kommunalen Raum. Ein Blick auf unsere europäischen und außereuropäischen Nachbarn zeigt, daß die Vorbehalte gegen Statistiken aus Datenschutzgründen ein typisch deutsches Problem sind. Deshalb sind unsere Zahlen auch nur noch Mittelmaß, oder kann mir jemand sagen, wieviele Sozialwohnungen es derzeit in Deutschland gibt? Raimund Bartella,
Hauptreferent des Deutschen
Städtetags, Köln
taz lesen kann jede:r
Als Genossenschaft gehören wir unseren Leser:innen. Und unser Journalismus ist nicht nur 100 % konzernfrei, sondern auch kostenfrei zugänglich. Texte, die es nicht allen recht machen und Stimmen, die man woanders nicht hört – immer aus Überzeugung und hier auf taz.de ohne Paywall. Unsere Leser:innen müssen nichts bezahlen, wissen aber, dass guter, kritischer Journalismus nicht aus dem Nichts entsteht. Dafür sind wir sehr dankbar. Damit wir auch morgen noch unseren Journalismus machen können, brauchen wir mehr Unterstützung. Unser nächstes Ziel: 40.000 – und mit Ihrer Beteiligung können wir es schaffen. Setzen Sie ein Zeichen für die taz und für die Zukunft unseres Journalismus. Mit nur 5,- Euro sind Sie dabei! Jetzt unterstützen