: Unverantwortliches Geschachere
betr.: „Homoverfolgung wird später aufgearbeitet“, taz vom 21. 6. 04
Mit Verwunderung habe ich gelesen, dass angeblich der Bundesfinanzminister anlässlich der Beratungen des Deutschen Bundestages über den Gesetzentwurf der FDP-Bundestagsfraktion zur Errichtung einer Magnus-Hirschfeld-Stiftung ein Tauschgeschäft angeboten hat. Aus finanziellen Gründen könne er zur Aufarbeitung von nationalsozialistischem Unrecht bei der Verfolgung Homosexueller nur eines von zwei Projekten unterstützen. Dabei soll die konkrete Entschädigung Vorrang vor der kollektiven Entschädigung über die Errichtung einer Magnus-Hirschfeld-Stiftung haben.
Als Berichterstatterin habe ich für die FDP-Bundestagsfraktion die Verhandlungen in den parlamentarischen Gremien über die Magnus-Hirschfeld-Stiftung geleitet. Zu keiner Zeit haben sich die Vertreter der rot-grünen Koalition auf eine sachliche Diskussion eingelassen. Die Verhandlungen wurden blockiert, ohne dass hierfür Gründe vorgetragen wurden. Ein angebliches Tauschgeschäft des Bundesfinanzministers wurde zu keiner Zeit der parlamentarischen Beratungen erwähnt. Ebenso wurde der in Ihrem Artikel angesprochene Fonds für die vergessenen Opfer des Nationalsozialismus während des gesamten parlamentarischen Verfahrens nie angesprochen. […] Es ist perfide, wenn die kollektive Entschädigung gegen die individuelle Entschädigung ausgespielt wird. Anspruchsgrundlagen für die individuelle Entschädigung bestehen nach wie vor! Seit 1988 können Härteleistungen nach Maßgabe der zum Allgemeinen Kriegsfolgengesetz ergangenen Härterichtlinien beantragt werden. Leistungen werden danach gewährt, wenn der Betroffene einen NS-Unrechts-bedingten Schaden an Freiheit, Körper, Leben oder Gesundheit erlitten hat und u. a. eine wirtschaftliche Notlage vorliegt. Im Zeitraum von 1988 bis 2002 sind 22 Anträge gestellt worden. Diese geringe Zahl zeigt, dass von Belastungen des Bundeshaushaltes mit Ansprüchen von im Nationalsozialismus verfolgten Homosexuellen keine Rede sein kann. […]
Die FDP sieht in ihrem Gesetzentwurf ein Stiftungsvermögen in Höhe von 15 Millionen Euro vor, eingebracht in vier Teilbeträgen von jährlich 3,75 Millionen Euro ab 2005. Die FDP hat frühzeitig signalisiert, auch einer zeitlichen Streckung der Einzahlung des Stiftungskapitals durch den Bund zuzustimmen, um so mögliche Belastungen der nächsten Bundeshaushalte zu verringern. Auch dieser Argumentation hat sich Rot-Grün widersetzt. Dieses von fiskalischen Erwägungen getragene Geschachere durch Rot-Grün ist perfide und in Anbetracht der nur wenigen noch lebenden Homosexuellen, die während des Nationalsozialismus grausamer Verfolgung ausgesetzt worden, unverantwortlich. INA LENKE, MdB, Berlin