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Unterwelt an Entführer

■ In den Niederlanden hält der Entführungsfall Gerrit Jan Heijn die Öffentlichkeit in Atem / Außer einem kleinen Finger ist von dem Opfer keine Spur aufgetaucht

Von Anke Plättner

Amsterdam (taz) - Zur Aufklärung der Entführung des niederländischen Unternehmenschef Gerrit Jan Heijn trägt jetzt auch die Amsterdamer Untergrundszene bei. In den Fernsehnachrichten vom Wochenende rief der „Gansterkönig“ Frits van de Wereld die Entführer auf, zu übermitteln, wo Gerrit Jan Heijn sich befindet. „Es ist kein guter Stil, erst den Schotter abzusahnen und dann nichts mehr von sich hören zu lassen“, lautete der Aufruf aus der kriminellen Szene. Seit letzter Woche Montag ist der Informationsstop der Polizei aufgehoben, und über Radiosender und das erste niederländische Fernsehen wurde die Bevölkerung aufgerufen, bei der Suche nach den Tätern mitzuhelfen.Inzwischen hat die Haarlemer Polizei mehr als 6.000Hinweise erhalten. Heijn ist zweiter Aufsichtsratsvorsitzender der Firma Ahold, der größten Supermarktkette in den Niederlanden (bekannt als Albert Heijn). Die Firma Ahold hat eine Million Gulden als Belohnung ausgesetzt für Hinweise, die zur Ergreifung der Täter oder der Auffindung von Heijn führen. Einer der Hinweise führte am Tag nach der Pressekonferenz bereits zur Festnahme eines Mannes, der bei der Vorbereitung der Entführung beteiligt gewesen sein soll. Der 56jährige Heijn wurde am 9. September auf dem Weg zum Zahnarzt in seinem Wohnort Bloemendaal in der Nähe von Haarlem entführt. Die Kidnapper - es wird angenommen, daß es sich um fünf Personen handelt - haben seitdem mehrere Briefe mit Lösegeldforderungen über 8,4Millionen Gulden und Diamanten im Wert von 7,7 Millionen Gulden geschickt. Als sich die erste Lösegeldübergabe verzögerte, da es nicht möglich war, in kürzesterZeit eine so große Menge lupenreiner Diamanten zu besorgen, schickten die Entführer den linken kleinen Finger ihres Opfers. Ende November hinterließ ein Vertreter der Firma Ahold an der Autobahn in der Nähe von Arnhem 450.000 Gulden und die Diamanten, aber die Entführer schickten daraufhin kein Lebenszeichen von Gerrit Jan Heijn. Der längste Entführungsfall in der niederländischen Geschichte wurde schließlich offiziell der Polizei übergeben. Die Pressekonferenz in Bloemendaal wurde Teil der Fernseh–Sendung „Opsporing verzocht“, einer niederländischen Variante von „Aktenzeichen XY - ungeklöst“. Über diese „GJ–Show“ (Gerrit Jan), wie böse Zungen die Sendung nennen, und über das Verhalten von Presse und Polizei wird jetzt in den Niederlanden mehr diskutiert als über die Entführung an sich. Trotz des Schweigens der Polizei wurde zum Beispiel über die Lösegeldübergabe berichtet, wodurch nach Meinung von Justizminister Korthals Altes die Aufklärung behindert wurde. Die meisten Journalisten sehen es als ihre Pflicht an, über den Fall zu berichten, ohne sich ihren Text von der Polizei diktieren zu lassen. Die Polizei wiederum wirft der Presse Sensationslust vor. Für den entführten Gerrit Jan Heijn gibt es jedenfalls nur noch wenig Hoffnung. Der Justizminister hat den Angehörigen und der Firma Ahold in einem Brief sogar schon sein Beileid ausgesprochen. Inzwischen ist allerdings der Polizeiapparat im Ausland ausgeschaltet worden, wie die niederländische Polizei Montag am Montag mitteilte.Man hat sich zu diesem Schritt entschlossen, nachdem Experten für parapsychologische Warnehmungen entsprechende Hinweise geliefert hatten.

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