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Unterstellungen -betr.: "Unter kommen sie immer", taz vom 23.3.1996

Betr.: „Unter kommen sie immer“, taz vom 22.3.

Mit einer Mischung aus Erstaunen, Verwunderung und Verärgerung bis hin zu Empörung habe ich ihren Artikel zur Arbeit der Akademie Überlingen in Bremen gelesen.

In der Tat ist eine Voraussetzung, eine Fortbildung bei der Akademie Überlingen durch das Arbeitsamt gefördert zu bekommen, die Arbeitslosigkeit; im gleichen Atemzug aber über unsere Teilnehmer zu formulieren ,,Manche sind Alkoholiker oder Analphabeten oder schieben Schuldenberge vor sich her“, hat hier helle Empörung ausgelöst. Natürlich gibt/gab es solche Fälle im Laufe der Zeit bei uns genauso wie auch in der ,,sonstigen“ Bevölkerung: durch den Zusammenhang wird hier eine Verallgemeinerung unterstellt, die unhaltbar ist und Teilnehmer bei uns diskriminiert. Um es klar zu sagen: unsere Teilnehmer sind Menschen, die mit hoher Motivation einen Ausweg aus ihrer Arbeitslosigkeit suchen und ihre Chance in einer qualifizierten Fortbildung sehen und denen durch solche Formulierungen zusätzliche Knüppel vor die Füße geworfen werden!

In der Tat ist es auch so, daß ein großer Teil unserer Absolventen anschließend an die Fortbildung einen Job bekommen, allerdings wird vom Arbeitsamt und auch von der Akademie Überlingen vor Beginn der Maßnahme geprüft, inwieweit die Maßnahme für den Teilnehmer erfolgversprechend oder notwendig ist. Der Fall, daß die Teilnahme vorzeitig wegen Ar-beitsaufnahme (im übrigen vertragsgemäß völlig unproblematisch und durchaus gefördert) noch während der geplanten Dauer der Maßnahme beendet wird, ist weder selten noch die Regel.

In der Tat ist es natürlich so, daß für die Fortbildungsmaßnahme ein Stundensatz pro Teilnehmer für die Fortbildung vom Arbeitsamt bewilligt und an den Maßnahmeträger gezahlt wird. Dies führt aber keineswegs dazu, daß – wie in verschiedenen Randbemerkungen Ihres Artikels angedeutet – die Akademie Überlingen nun mit Geldern von Arbeitsamt oder dem Europäischen Sozialfonds um sich werfen könnte oder würde. Für eine solide und qualifizierte Fortbildung ist es nötig, entsprechende Wareneinsätze, Lehrmaterial etc. finanzieren zu können: dies können wir mit Hilfe eines Etats Verbrauchsmaterial. Darüber hinaus werden alle Einnahmen aus dem ,,Tagesgeschäft“ im Trainingsrestaurant mit diesem Etat verrechnet und gegenüber den Geldgebern Arbeitsamt und europäischer Sozialfonds auf den Pfennig abgerechnet, so daß das Jonglieren mit ,,Dutzenden wertvoller Safran-Näpfchen“ nicht etwa ein Zeichen für ein ,wir haben es ja' ist, sondern auf die Qualität der Fortbildung verweist.

In der Tat ist im letzten Jahr in der Küche zu Ausbildungszwecken ein Reh bei uns zerlegt worden; damit hat sich allerdings dann die Übereinstimmung mit ihrem Artikel erledigt. Zur Klarstellung: Das Reh ist keineswegs von einem Teilnehmer angefahren und dann ,,angeschleppt“ worden, sondern es wurde fachgerecht von einem Jäger geschossen und dann angeliefert. Demzufolge mußte es selbstverständlich nicht mehr ,,vom Leben zum Tode“ befördert werden, sondern lediglich aus der Decke geschlagen werden (was ein zwar nicht alltäglicher, aber nichtsdestotrotz nicht unwichtiger Fortbildungsinhalt sein kann). Dieses ist nun ebenso wie die fachgerechte Weiterverarbeitung des Fleisches und die ordnungsgemäße Entsorgung des Felles in der Akademie Überlingen geschehen. Wäre dieses falsch unterstellte Szenario einem ,,normalen“ Gastronomiebetrieb angehängt worden, so gäbe es eigentlich nur noch die Alternative der Verleumdungsklage oder der freiwilligen Schließung dieses Betriebes.

Als Fazit: ich unterstelle Ihnen nicht das Ziel, einen bewußt abwertenden Bericht über unsere Teilnehmer und unsere Arbeit schreiben zu wollen, aber das Ergebnis ihres flapsig und lax formulierten Artikels ist in weiten Teilen verheerend und schadet dem Ansehen der Akademie Überlingen, verschlechtert die Berufschancen unserer TeilnehmerInnen und gefährdet so gegenwärtige und zukünftige Arbeitsplätze.

Mit freundlichen Grüßen

Ulrich Rave, Betriebsrat der Akademie Überlingen

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