: Unterm Strich
Zu ihrer konstituierenden Sitzung ist am Dienstag erstmals das neugewählte 20köpfige Gremium der Ostberliner Akademie der Künste zusammengetreten. Ihm gehören u.a. der Grafiker Klaus Staeck, der Bildhauer Fritz Cremer, die Regisseure Ruth Berghaus, Thomas Langhoff und Frank Beyer, die Komponistin Ruth Zechlin, die Schriftsteller Volker Braun, Christa Wolf und Stephan Hermlin sowie — als einziges noch lebendes Gründungsmitglied der 1950 ins Leben gerufenen Akademie — die Tänzerin Gret Palucca an. Man beschloß zunächst die weitere Verfahrensweise, wie die Neuorganisation der bedrohten Institution vonstatten gehen könnte; möglichst bald sollen Verhandlungen mit dem Land Brandenburg und dem Berliner Senat für eine mögliche Berlin-Brandenburgische Akademie aufgenommen werden. Das neue Gremium war auf Vorschlag des Akademie-Präsidenten Heiner Müller gewählt worden und ist als Übergangslösung zu verstehen: Alle vier Sektionen der Akademie sind darin mit je fünf Mitgliedern vertreten, die anderen Mitglieder haben ihre Mitgliedschaft zur Disposition gestellt. Das Übergangsgremium soll Vorschläge für neue Mitglieder machen, um so eine Verjüngung und Veränderung der bisherigen Mitgliederstruktur der ehemaligen DDR-Akademie herbeizuführen. Das Gremium tagt das nächste Mal am 4. November, vorher treffen sich die Mitglieder der Westberliner Akademie der Künste, die ebenfalls über gemeinsame Projekte beraten werden.
Zu einer Veranstaltung in Sachen eigener Vergangenheit lädt die Ostberliner Akademie am Donnerstag. Unter dem Motto „Kahlschlag“ wird das berüchtigte 11. Plenum des SED-Zentralkomitees im Dezember 1965 dokumentiert, das schwere Folgen für die DDR-Kulturpolitik hatte. Teilnehmer der Veranstaltung sind die damals betroffenen DEFA-Regisseure Frank Beyer und Kurt Maetzig sowie Stefan Heym, Heiner Müller und Stephan Hermlin. Vorgeführt werden Tonbandprotokolle der damaligen ZK-Sitzung, auf der u.a. Walter Ulbricht, Erich Honnecker, Kurt Hager und Christa Wolf sprachen. Donnerstag, Akademie der Künste (Ost), Hermann-Matern-Straße, 19 Uhr
Was ist schon die Goldene Gilde? Ein Preis, der vom Hauptverband, sprich: der Gilde Deutscher Filmtheater in diesem Jahr in Gold an Wim Wenders für seinen Film Bis ans Ende der Welt und in Silber an Volker Schlöndorff für seine Max-Frisch-Verfilmung von Homo Faber vergeben wird. Das war die Kategorie deutscher Film. In der Kategorie ausländischer Film bekommt Kevin Costners Der mit dem Wolf tanzt die Goldgilde mit dem gotischen „G“ als Signum. Warum die goldene Gilde vergeben wird? Weil wohl kaum ein deutscher Film Die Goldene Leinwand bekäme, die gleichzeitig mit den Gilde-Preisen vergeben wird. Sie erhalten in diesem Jahr zehn Filme: solche, die bis zur Preisverleihung mehr als drei Millionen Zuschauer ins Kino gebracht haben. Der Renner ist dabei John Hughes' Kevin — allein zu Haus, der über sechs Millionen Besucher hatte: einmal Goldene Leinwand mit Stern. Fast genauso viele, nämlich 5,8 Millionen Zuschauer konnte der Costner-Film verzeichnen. Über die drei Millionen
Marge kamen als deutsche Produktionen immerhin die Unendliche Geschichte II, Loriots Pappa ante portas und Werner Beinhart. Die Preisverleihung findet im übrigen in diesem Jahr in Bonn statt, da sich Berlin im vergangenen Jahr unstatthaft verhalten hat: die damalige Kultursenatorin war einfach nicht erschienen. Im Haus der Landesvertretung von Rheinland-Pfalz soll es erstmals sogar eine Party geben. Das ist natürlich nichts gegen das „bunte Atelierfest mit viel Filmprominenz“ (von Bergman bis Zanussi), das am 1. Dezember in den Babelsberger DEFA-Studios zur Verleihung des Europäischen Filmpreises stattfinden wird.
In Frankfurt/Oder ist jetzt eine Ausstellung zu sehen, die sich mit der deutschen Fahne beschäftigt. Die Organisatoren des Projekts, der Kunstverein Villa Streccius Landau, hatte rund 40 Künstlern aus der gesamten neuen Bundesrepublik, aus der CSFR und Polen ein Stück Fahnenstoff geschickt, 25 Künstler haben reagiert und etwas daraus gemacht. Die Ausstellung geht bis zum 17. November, Galerie Junge Kunst in Frankfurt/Oder.
Die stolze Summe von 1,2 Millionen Mark muß der neue Besitzer des Max Beckmann-Gemäldes Blühender Garten hinlegen: diesen Preis erzielte das Gemälde am vergangenen Wochende bei der Berliner Kunst- und Antiquitätenmesse „Orangerie 91“. Die Messe im Gropius-Bau geht noch bis zum 27. Oktober.
Wilfried Schulz geht als Chefdramaturg von Basel nach Hamburg. Er folgt damit Frank Baumbauer, der ab der übernächsten Spielzeit am Hamburger Schauspielhaus die Intendanz übernehmen wird.
Albanien sieht seiner überhaupt ersten Ausstellung zeitgenössischer Kunst entgegen, wenn man 'afp‘ Glauben schenken darf. Sie wird von Frankreich in Tirana veranstaltet; ausgestellt werden Arbeiten, die 1989, im Gedenkjahr der Französischen Revolution, zu dieser Thematik entstanden sind. Unter den 60 Exponaten befinden sich Bilder von Adami, Spoerri, Arroyn, Klassen und Saura; sie sind Eigentum einer staatlichen Stiftung für zeitgenössische Kunst, die die Ausstellung im Anschluß an Tirana für zwei Jahre über das albanische Land verschickt.
Der Rundfunkbeauftragte Rudolf Mühlfenzl will zwar die ehemaligen DDR-Sender auflösen, aber ihre (neun) Orchester retten. Helfen sollen ihm dabei ein Stiftungsmodell und die Unternehmer, die Patenschaften für die Orchester übernehmen könnten. Der neugegründete Mitteldeutsche Rundfunk will mehrere Ensembles integrieren, verkündete Mühlfenzl weiter; und das ZDF werde das Rundfunksinfonieorchester des DS-Kultur und den Rundfunkchor Berlin vorläufig unter Vertrag nehmen.
Christina Emig-Könning wird die Inszenierung von Heiner Müllers Zement am Bochumer Schauspielhaus nicht zu Ende bringen, weil sie sich mit den Schauspielern nicht über die Interpretation einigen konnte. Die vorgesehene Premiere Ende November fällt damit aus, das Stück soll im Frühjahr in anderer Zusammensetzung produziert werden.
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