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Unterm Strich

Wenn es nach Leipzigs Oberbürgermeister Hinrich Lehmann-Grube geht, wird die Kultur im neuen Jahr in Ostdeutschland einen ungeheuren Aufschwung nehmen. War aber auch bitter nötig. Schon des Wesens von Kunst wegen (siehe auch Berichtigung). Sie, die Kultur, sei nämlich nicht als „Luxus“, sondern „als ein Lebenselixier“ zu betrachten, gab Lehmann- Grube zur Eröffnung des Leipziger Jubiläumsjahrs (Oper vor 300 Jahren gegründet, Gewandhausorchester vor 250, Musikhochschule vor 150 Jahren — in Leipzig scheint die Kultur ausschließlich in Gründungen begründet zu sein). Wir verstehen schon, so melissengeistmäßig, nie so wertvoll wie heute etc. pp. Das Motto, unter dem der kulturelle Aufschwung Ost sich ereignen soll, heißt denn auch schön stabreimmäßig „Leipzig lebt Kultur“. (Wäre „Leipzig lept Kultur“ nicht irgendwie noch besser? Vom kulturellen Fluidum her?)

Auch bei Anna Wimschneider, die in der Neujahrsnacht im Alter von 73 Jahren in Pfarrkirchen verstorben ist, ging es laut dpa-Korrespondent Matthias Hoenig „nicht um literarische Ästhetik, sondern um die Dokumentation eines Lebens“. Also quasi um Kultur als Lebenselixier. Man darf auch Milch der ehrlichen Denkungsart dazu sagen. Sowas kriegt man nur durch praktizierte Demut: „Klagen über das Schicksal waren Anna Wimschneider fremd.“

Potsdam feiert heuer. Motto: „Potstausend“. Gefeiert wird die erste urkundliche Erwähnung von „Potztupimi“ vor 1.000 Jahren. Die Veranstaltungen (mehr als 230 sind übers Jahr verteilt geplant) reichen thematisch allerdings nur bis 1685 zurück, dem Jahr des Edikts des Großen Kurfürsten, das französischen Glaubensflüchtlingen in Potsdam eine Heimat gewährte. Entsprechend international will man auch das Jubiläum begehen. Während einer „französischen Woche“ soll Juliette Greco erstmals in Potsdam auftreten. Parallel dazu wird das Vorgelände des Stadtbahnhofs von einer französischen Theatergruppe zum Schauplatz eines „spektakulären Öko-Projekts“ (dpa) gemacht werden. Daran schließt sich dann eine „Woche der Begegnung mit den Niederlanden“ an. Mit von der Partie: diverse Off-Theater und der Rockmusiker Willem Breker.

Das Brecht-Zentrum Berlin muß seinen Namen ändern. Die Erben Bertolt Brechts haben der Einrichtung untersagt, das Markenlogo „Brecht“ weiterhin zu verwenden, weil sie „ihre Interessen an einer ordnungsgemäßen Verwertung des Brecht-Namens nicht gewahrt“ sehen. Der literarische Treffpunkt wird künftig den Namen „Literaturforum im Brecht- Haus“ führen. Berlins Kultursenator Roloff-Momin sowie die Mitglieder des früheren Brecht-Zentrums haben die Namensänderung bedauert, weil die Institution „dem künstlerischen Schaffen Brechts verpflichtet war, ist und bleiben wird“.

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