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Unterm Strich

Nein, nicht in Bad Segeberg, wo wir als Kinder auf Holzbänken zappelten, um norddeutschen, bunt geschminkten Winnetous und Old Shatterhands begeistert zuzujubeln, während sie elegant durchs Freilufttheater gallopierten, ist Karl May vor vielen, vielen Jahrzehnten geboren worden, sondern in der sächsischen Stadt Hohenstein-Ernstthal. Dortselbst nimmt man den 100. Geburtstag nicht von Karl May, sondern von Winnetou, zum Anlaß, um eine hübsche Ausstellung auszurichten. Vor genau hundert Jährchen nämlich ist die erste dreibändige Winnetou-Ausgabe erschienen. Das städtische Kulturamt teilte mit, daß neben 600 deutschsprachigen Bänden zum Thema „Winnetou“ auch fremdsprachige Ausgaben ausgestellt werden, darunter in japanisch und hebräisch. Die Exponate der Show, die gestern eröffnet wurde und leider nur bis zum 30. März dauern soll, stammen vorwiegend aus dem Hohenstein-Ernstthaler Karl- May-Haus, dessen Existenz wir hiermit erfreut zur Kenntnis nehmen. Dokumentiert wird Winnetou im Film und in der Forschung, deren Existenz wir natürlich ebenfalls begrüßen. Wir hoffen aber inständig, daß Bad Segeberg nicht ganz vergessen wird.

Das 1. Internationale Symposium des deutsch-polnischen Literaturbüros Frankfurt an der Oder war für die Veranstalter ein wichtiger Schritt zur Überwindung nationaler Auffassungen im Bereich der Kinderliteratur. Das Treffen von 56 Autoren, Verlegern und Literaturwissenschaftlern aus sechs osteuropäischen Ländern und Deutschland unter dem vielversprechendend dialektischen Motto „Das eigene Bild im Bild des anderen“ sei für den Informationsaustausch sehr nützlich gewesen, sagte Projektleiter Steffen Peltsch am Mittwoch vor der Presse zum Abschluß der zweitägigen Veranstaltung. Nach diesem zaghaften Versuch, die Tür aufzustoßen, so Peltsch, so dpa, werde nun nach Wegen gesucht, die Ergebnisse zu publizieren. Wir dürfen an dieser Stelle unserer Interesse schon mal anmelden. Als regelmäßige Fortführung des Treffens seien Seminare für Übersetzer, zur Rezension und Buchproduktion denkbar. Das Symposium, an dem namhafte – uns bedauerlicherweise bis dato unbekannte – Kinderbuchautoren der Ex- DDR wie Günter Görlich, Uwe Kant und Gerhard Holtz-Baumert teilnahmen, hat nach Angaben von Hans-Joachim Nauschütz vom deutsch-polnischen Literaturbüro auch zum gegenseitigen Verstehen mit Kollegen aus den alten Bundesländern beigetragen. Na, ist doch zumindest nüscht gegen zu sagen.

Vergebens lautet das erste Wort einer uns melancholisch stimmenden Agenturmeldung. Vergebens also mühten sich etliche Schriftenkundige, die verblaßte, zerissene Geburtsurkunde des Komponisten Girolamo Frescobaldi zu entziffern. Irgendwann im September 1583, so das annähernde Ergebnis, wurde der italienische Tonsetzer in Ferrara geboren. Sein

Todesdatum dagegen ist überliefert: Am 1. März 1643, vor 350 Jahren, raffte ihn in Rom ein bösartiges Fieber dahin. Waren insgesamt tendenziell schreckliche Zeiten. Die ganze Aufregung um den Mann kommt daher, daß man sich nun gewahr wird, daß Bach ihn geschätzt haben soll, der Arme aber in Vergessenheit geraten ist, wie so viele andere große Geister. Und nun merkt man's und erinnert sich seiner. Wogegen insgesamt tendenziell natürlich nichts zu sagen ist. Die 60 Jahre von Ferraris ertragreichem Leben vollzogen sich vor dem Hintergrund eines entscheidenden Epochenwandels in der europäischen Kulturgeschichte. Und zwar: von der Renaissance zum Barock. Man könnte dazu naturgemäß noch viel schreiben, aber Platzgründe und journalistisches Ethos (jawohl) zwingen uns, Ihnen auch noch aktuelle musikalische Informationen zukommen zu lassen...

Angesichts der zunehmend breiter gefächerten Rock-Landschaft hat sich die amerikanische Musikindustrie bei der Vergabe ihrer diesjährigen Grammys für das Bewährte entschieden, und zwar in der tollen hipmäßigenStadt Los Angeles. Der 47jährige britische Gitarrist und Sänger Eric Clapton erhielt in der Nacht zu gestern gleich fünf der begehrten Auszeichnungen. Die Preisverleihung – Ergebnis einer Abstimmung von 7.000 Mitgliedern der Akademie für Musikaufnahmen – wurde unbegreiflicherweise von schätzungsweise einer Milliarde Fernsehzuschauern in aller Welt verfolgt. Claptons jüngste Einspielung „Unplugged“ wurde als bestes Album des Jahres ausgezeichnet; sein Stück „Tears in Heaven“ (über den Unfalltod seines Sohnes) wurde sentimentaler-, geschmackloser- und ekelhafterweise zum Song des Jahres gewählt. Darüber hinaus erhielt der, wie es heißt, maßgeblich von Blues und Folk beeinflußte Musiker die Grammys für die beste männliche Gesangsleistung der Sparten Rock und Pop sowie die Auszeichnung für den besten Rocksong, zu dem die geraffte Version des Klassikers „Layla“ gekürt wurde. Clapton, der bei dem alljährlichen Preisreigen bisher eher leer ausgegangen war, sagte nach der Entscheidung: „Ich glaube nicht, daß ich das verdient habe – es gab bessere Songs.“ Bescheidenheit ist eine Zier, doch weiter kam er ohne ihr.

Die irische Rockgruppe U2 („Achtung Baby“) errang die begehrte Ehrung in der Kategorie der Gruppengesangsleistung. Als beste weibliche Rockstimme wurde Melissa Etheridge mit „Ain‘t It Heavy“ gewürdigt, während der Grammy für Instrumentalrock an den verstorbenen Stevie Ray Vaughan („Little Wing“) ging. Falsch behandelt fühlten sich die Red Hot Chili Peppers, deren Stück „Give It Away“ den Grammy für die beste Hard-Rock-Einspielung erhielt - dabei handele es sich hierbei ganz klar um Folk-Music, erklärte Gruppenmitglied Flea. Wenn das stimmt, haben die Pfeffers natürlich recht.

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