piwik no script img

Unterm Strich

Sieben Wochen vor der offiziellen Einweihung der Neuen Wache Unter den Linden in Berlin als zentrale Gedenkstätte für die „Opfer von Krieg- und Gewaltherrschaft“ mehren sich die Bedenken. Bei einer Diskussion der Deutschen Gesellschaft im Berliner Schauspielhaus forderten Politiker und Künstler die Bonner Regierung und insbesondere Helmut Kohl auf, den Eröffnungstermin am Volkstrauertag (14. November) noch einmal zu überdenken und möglicherweise zu verschieben.

Dagegen verteidigte der frühere Bundesbauminister und CSU-Bundestagsabgeordnete Oscar Schneider das Projekt. Es gäbe ähnliche Vorbilder in westlichen Ländern. Der Direktor des Historischen Museums Berlin, Christoph Stölzl, plädierte für mehr Toleranz: Man solle das Denkmal fertigstellen und danach beurteilen.

Den Stopp der seit mehreren Monaten geführten Bauarbeiten forderte der Berliner Staatssekretär für kulturelle Angelegenheiten, Winfried Sühlo. Der Bonner Umzug sei erst für 1998 geplant, und solange weder Abgeordnete noch die Regierung in Berlin seien, sehe er auch keinen Grund für eine zentrale Gedenkstätte.

Als Vertreter des Zentralrats der Juden in Deutschland mahnte der Architekt Salomon Korn, die Konzeption falle weit hinter den Entwurf von Heinrich Tessenow von 1931 zurück. Die von Käthe Kollwitz geschaffene „Pietà“ in mehrfacher Vergrößerung in der Schinkelschen Neuen Wache aufzustellen, sei nichts anderes, als eine „künstlerisch-historische Collage“, mit der millionenfacher Mord nicht ausgedrückt werde.

Die 1817/18 errichtete Schinkel-Wache war Preußens erster Staatsbau nach den Befreiungskriegen. Hundert Jahre diente das kastellartige Gebäude als Königswache mit Mannschaftsstube und Arrest. Tessenow gestaltete es als Ehrenmal für die Gefallenen des Ersten Weltkrieges. In der DDR wurde das Bauwerk 1960 zum Mahnmal für die „Opfer des Faschismus und Militarismus“ umgewidmet. Seit der Wiedervereinigung ist die Gedenkstätte geschlossen.

Der Bremer Fallturm, das „Weltraumlabor“ für Kurzzeit-Experimente zur Schwerelosigkeit (Mikrogravitation), wird Veranstaltungsort. Zur Eröffnung am 2. und 3. Oktober gibt es Aufführungen von Benjamin Brittens Oper „The Turn of Screw“.

taz lesen kann jede:r

Als Genossenschaft gehören wir unseren Leser:innen. Und unser Journalismus ist nicht nur 100 % konzernfrei, sondern auch kostenfrei zugänglich. Texte, die es nicht allen recht machen und Stimmen, die man woanders nicht hört – immer aus Überzeugung und hier auf taz.de ohne Paywall. Unsere Leser:innen müssen nichts bezahlen, wissen aber, dass guter, kritischer Journalismus nicht aus dem Nichts entsteht. Dafür sind wir sehr dankbar. Damit wir auch morgen noch unseren Journalismus machen können, brauchen wir mehr Unterstützung. Unser nächstes Ziel: 40.000 – und mit Ihrer Beteiligung können wir es schaffen. Setzen Sie ein Zeichen für die taz und für die Zukunft unseres Journalismus. Mit nur 5,- Euro sind Sie dabei! Jetzt unterstützen