: Unterm Strich
Die Academie Française unterstützt die Forderung der französischen Regierung nach einer Ausnahmeklausel für den kulturellen Bereich in dem angestrebten Abkommen über die Liberalisierung des Welthandels. Die altehrwürdige Institution weiß in einer am Freitag veröffentlichten Erklärung zu berichten, daß Kultur keine Handelsware sei. „Literarische und künstlerische Werke oder ihre Adaptionen“, egal welcher Art, könnten nicht wie Rohstoffe oder Fabrikate behandelt werden. Daß sich die 1635 gegründete Academie Française da mal nicht täuscht. Bekanntermaßen ändern sich die Zeiten. Die Academie aber nicht.
Paris hat aber noch anderes zu bieten als das Unwandelbare. Zwar nicht gerade Pomanschetten, aber auch Paris ist der Meinung: „Wenn die Zeiten schlecht sind, muß die Mode lustig werden.“ Sagt Thierry Mugler, der als einer der ersten Designer am Freitag seine Modeshow abzog. Junge Frauen kommen als Roboter daher. Tröstlicherweise entblößen die Röcke lange, lange Beine. Rechteckige Schultern, entsprechende Halsausschnitte und Frisuren sowie steife Stoffe ausschließlich in Schwarz-Weiß geben der Mode, hört, hört, etwas Kantiges. Wie das
mit männlichen und weiblichen Engeln zusammengeht, die ebenfalls bei Mugler auftraten, ist
nicht geklärt. Vielleicht ist es der Röntgenlook. Silberpailetten zeichnen die menschliche Anatomie wie Rippen und Knochen auf fleischfarbenem Tüll nach. Da erscheint Engel leicht kantig, eckig und knochig.
Kantig gibt sich auch der Schriftsteller Günter Grass in einem Interview. „Einigen meiner Kollegen, die sich 1968 weit links von mir befanden, habe ich vorausgesagt, daß sie mir eines Tages aus der rechten Ecke wieder begegnen könnten“, so Grass. Er sieht im kulturellen Klima Deutschlands Tendenzen eines Rückfalls ins Konservative und zum Teil ins Irrationale. Das Gefährliche an der Entwicklung sei, daß der Prozeß der Aufklärung von mehr und mehr Intellektuellen eine Absage erhalte.
Wahrscheinlich vermißte er die Aufklärung über „Oberginen“ und „Restorangs“. Die deutschen Kultusminister allerdings sind gar nicht so nationalistisch, wie man vermuten möchte. Sie heißen auch nicht Enzensberger oder Walser, welche der Grassschen Rüge verfielen. Die Minister lehnen die „Eindeutschung“ von Wörtern fremder Sprachen schlicht ab. Sagte jedenfalls die große Vorsitzende, Mecklenburg-Vorpommerns Ressortchefin Steffi Schnoor. Auberginen und Restaurants sollen solche blieben. Ansonsten vertagte man Probleme der Groß- und Kleinschreibung auf die „3. Wiener Gespräche“ aller deutschsprachigen Ländern. Und die Frage des Schulabschlusses nach zwölf beziehungsweise dreizehn Jahren auf den Bildungsgipfel bei Bundeskanzler Kohl. Das ist ja der Güpfel der Büldung.
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