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Unterm Strich

Die mündigen Bürger Frankreichs haben den wiedereröffneten Gesamt-Louvre noch stärker gestürmt als erwartet: Bereits am ersten Tag hat es eine solche Ansammlung von Besuchermassen gegeben, daß die Gemälde- und Skulpturensammlung bereits um 22.00 Uhr geschlossen werden mußte. Dann überstürzten sich die Ereignisse: Waren Sonntag morgen um elf gerade einmal 40.000 Eindringlinge vermeldet, so waren es um die Mittagszeit bereits 55.000 und am Abend, als alle Museums-Billets abgerechnet waren, konnten 103.000 Menschen verbucht werden – macht bei durchschnittlich 25 DM Eintritt revolutionäre 2.575.000 Millionen Mark. Aber hallo.

Das Geld wäre übrigens auf Kuba gut angelegt. Dort haben Künstler und Schriftsteller auf einem Kongreß in Havanna wegen der dringlichsten materiellen Probleme getagt, die derzeit auf Fidels Musterinsel herrschen. Beeindruckend ist die Grundüberzeugung der Kulturarbeiter angesichts der desolaten Insel-Lage – voll solidarisch gegenüber dem Klassenfeind, kaum eine Lockerung schwächt die Einheitsfront der zuckerrohrschnapsgestärkten Männer. Trotzdem wird ein Wandel unvermeidbar sein, und die Teilnehmer mußten am Ende der Tagung gar die Frage stellen, „wie wir uns retten können, ohne unsere Seele dem Teufel zu verkaufen“. Der Vorschlag, auf privatem Wege Kunst gegen harte Währung zu verkaufen, stieß bei Fidel Castro, der höchstselbigst am Kongreß teilnahm, auf keine sonderliche Begeisterung: „Die Kultur ist das erste, was wir bewahren müssen.“ Diese Ideologie wird weiterhin von der breiten Masse der Künstler geteilt, aber in der Praxis sieht es anders aus – auf Kuba ist selbst Farbe rar geworden, und die Buchproduktion leidet unter Papiermangel. Bald wird auch die letzte Bastion der Kunst fürs Volk zum Schnäppchenmarkt fürs West-Investment.

Manchmal schlagen aber auch Arbeiterhelden ihren Getreuen ein Schnippchen: Laut einer Studie zweier US-Professoren soll der mexikanische Soz- und Folk-art-Wandbemaler Diego Rivera in den vierziger Jahren als Spitzel für die US-Regierung gearbeitet haben. Damals habe er hohen Botschafts-Funktionären über Aktivitäten und Finanzsituation der Kommunistischen Partei Mexikos (PCM) berichtet – aus Angst vor dem Stalinismus, der ihn nie richtig überzeugt hatte. Als ein mögliches Motiv für Riveras IM- Tätigkeit wird übrigens die Ermordung Trotzkis angeführt, den er und seine Frau, die Malerin Frida Kahlo, von 1936 bis 1939 beherbergt hatten.

Neues von der Beat-Front: Allen Ginsberg will angesichts der Lage in Ex-Jugoslawien endlich Nägel mit Köpfen machen und symbolisch zurückschlagen. Statt Serbien weiter zu blockieren, soll ein kurzer, dafür um so heftigerer „kultureller Blitzschlag“ die serbische Bevölkerung mit wahren Informationen über den Krieg konfrontieren. Ein Fall für MTV.

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