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Unterm Strich

Daß es im deutschen Verlagswesen rappelt und klappert, ist bekannt und rührt das geneigte Publikum kaum: Das Pleiten gehört zum Geschäft. Ungewöhnlicher ist es schon, wenn ein Verlag, dem es gut, besser, am besten geht, sich vorsätzlich und ohne jede Not in dieselbe begibt: so derzeit bei S. Fischer, Frankfurt am Main, zu besichtigen. Der Verlag, dem der Fischer Taschenbuch Verlag und der Populärverlag Wolfgang Krüger (Garfield in allen Schreib- und Malweisen) angeschlossen sind, gehört zwar – wie Rowohlt, Droemer,Wunderlich, Kindler, Metzler, das „Handelsblatt“, die „Wirtschaftswoche“, „DM“, der „Tagesspiegel“ – zum Holtzbrinck-Konzern in Stuttgart; die Eigentumsverhältnisse bei Fischer sind aber abweichend und eher feudalistisch geregelt: Verlegerin des Hauses ist die Holtzbrinck-Tochter Monika Schoeller, die sich in ihrer Leitungspolitik durch schwer durchschaubare Motive lenken läßt, was auf der Führungsebene lange Zeit für ein munteres Ringelreih'n sorgte. Der auch finanziell schwer schlingernde Verwerter von Kafka, Freud und anderen Klassikern der noblen Sorte konsolidierte sich langsam nach dem Eintreten des Cheflektors Arnulf Conradi, ehemals Claassen, 1982. Dessen Wirken, wie dem seiner Frau Elisabeth Ruge, Lektorin der Virginia-Woolf-Ausgabe, moderner russischer und amerikanischer Literatur, ist nun durch eine Marotte der Verlegerin ein Ende bereitet, die dem öffentlichkeitswirksamen Styling des Hauses durch die Einstellung eines israelischen Künstlers als „Chefdesigner“ der Fischer-Verlage einen Absturz bereiten will: Dem sich zuspitzenden Konflikt ist geschuldet, daß neben Ruge und Conradi jetzt auch der Werbeleiter des Hauses, Veit Heinichen, „in gegenseitigem Einvernehmen“, den Verlag verläßt. Man darf gespannt sein, wie es immer so schön heißt, ob es gelingt, die zuletzt erwirtschafteten zweistelligen Zuwachsraten in Millionenhöhe zu halten. Das Verhältnis zwischen guter Literatur und Verkaufserlösen ist zwar opak und wird es ewig bleiben, um so weniger ist in diesem Geschäfte aber zu vernachlässigen, daß die Verlage für die stillen Poeten höchst professionell trommeln müssen. Zitieren wir einen Suhrkamp-Autor zum Abgesang: „Und haben jüngst dem Sonnenlichte gedient,/ Unwissend, der Vater aber liebt, / Der über allen waltet, / Am meisten, daß gepfleget werde/ Der feste Buchstab, und bestehendes gut/ Gedeutet. Dem folgt deutscher Gesang.“

Oder auch nicht: Der Ostberliner Autor Peter Wawerzinek hat für sein Hörspiel „Nix“ den – na, ja – „Hörspielpreis der Woche des Hörspiels der Berliner Akademie der Künste“ erhalten. Es handelt sich aber nicht um die Hörspielfassung von John Cages „Silence“, sondern tatsächlich um einen „witzigen, sensiblen, poetischen Text, dessen spielerische Offenheit niemals in die Beliebigkeit abgleitet“. Wir werden ihn also auch deshalb niemals kriegen, diesen Preis.

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