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Unterm Strich

Wie es scheint, Damen und Herren draußen in den West- und Ostgebieten des wüsten Landes, lohnt sich diesmal eine Reise nach Berlin zur Berlinale (und nur dazu). Wie bereits gemeldet, muß man zwar im Rahmen des Wettbewerbs mit dem Schlimmsten rechnen – ich sage nur Anthony Hopkins und Debra Winger gemeinsam unter Attenborough, dem man doch nach seinem Chaplin-Fiasko durchaus eine Ruhepause gewünscht hätte. Auch in Sachen Kieslowski ist das Motto: Augen zu und durch. Wir werden Sie entsprechend auf dem laufenden halten.

Nein, es tun sich gewisse Dinge im Panorama, der Sektion also, die jetzt so langsam, aber sicher nicht nur nominell, sondern auch faktisch aus der weisen und liebevollen Obhut Manfred Salzgebers in die Hände des seinerseits ebenfalls in der Off-Filmerszene beheimateten Kollegen Speck übergeht. Gedacht ist für dieses Jahr beispielsweise an eine Reihe mit Filmen von und nach Osteuropa, in denen nicht nur mit „Sto dnei do prikaza“, einer gnadenlosen psychologischen Analyse des Lebens in der Armee, zu rechnen ist, sondern auch mit so erfreulichen Erscheinungen wie „Salades Russes“, einem frohen Pingpong zwischen Moskau und Paris. Außerdem steht ein Dok-Porträt über Eduard Shevardnaze ins Haus (doch, liebe Korrektur, so schreibt sich der Filmtitel). Nie ohne mindestens einen Kaurismäki: Unter dem vielversprechenden Titel The Total Balalaika Show sendet uns Aki einen apart zurechtgemachten Konzertmitschnitt eines Auftritts der Leningrad Cowboys.

Wie in jedem Jahr geht es auch diesmal nicht ohne starke Frauen, was immer das für welche sind. Und siehe da: Starke Frauen, das sind in diesem Jahr irre Frauen: „Dialogues with Madwomen“ heißt der Beitrag der Oscar-Preisträgerin Allie Light, und es werden Frauen portraitiert, die irgendwann in ihrem Leben einmal psychiatrische Behandlung brauchten oder sonstwie Kontakt zur Psychiatrie hatten. Endlich auch einmal ein Beitrag über Beschneidungen von Frauen in Afrika (auch ein Newsweek-Thema übrigens). Eine hochkomplizierte Angelegenheit, ähnlich wie hierzulande die Kopftuchfrage: Muß man's gutheißen, weil's die andern nun mal so halten, oder soll man's geißeln, weil es junge Mädchen für den Rest ihres Lebens verstümmelt? Achtzig Millionen Frauen sind schätzungsweise insgesamt davon betroffen, ein Großteil muslimische Afrikanerinnen. Die deutsche Filmemacherin Mirjam Quinte beschäftigt sich in Phoolan Devi mit dem Widerstand einer Frau gegen die Kasten-Gesellschaft.

Auch Monsieur Jacques Rivette wird dabei sein. Sein neuer Film heißt „Jeanne la pucelle“, und wir können nur hoffen, daß er nichts mit der heiligen Johanna der Schlachthöfe zu tun hat. Die American Independents sind in diesem Jahr noch stärker, schöner, schneller mit insgesamt 13 Filmen.

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