: Unterm Strich
Er lieferte unseren Lehrern und Professoren das Stichwort, mit dem sie die Generationen nach 68 belegen und sich vom Leibe halten konnten: Christopher Lasch, der amerikanische Historiker und Kulturkritiker, der 1979 mit seinem Bestseller „The Culture of Narcissism“ bekannt wurde. Lasch sah die USA (und seine Leser sahen die gesamte westliche Welt) als eine Gesellschaft von egoistischen und mit sich selbst beschäftigten Menschen, willenlose Opfer der herrschenden Eliten. (Gott, was haben die unsereinen damit genervt, diese saturierten BAT-Revoluzzer.) Lasch, darin Konservativer reinsten Wassers, empfahl zur Überwindung dieser beklagenswerten Lage die Rückkehr zu Heim und Herd: Familie, Gemeinschaft, Selbstdisziplin. Da war er bei uns aber an der falschen Adresse, die wir eben erst diesen anheimelnden „traditionellen Werten“ mit knapper Not entkommen waren. Heute findet sich die Narzißten-Schelte in jedem besseren Besteckkasten der konservativen Kulturkritik, von C. Stephan bis zu J. Fest, aber wir vom Kommando Oscar Wilde stehen immer noch ganz unbeeindruckt vor dem Spiegel und pfeifen uns was. Christopher Lasch, zuletzt Dekan der Historischen Fakultät in Rochester, ist, wie die New York Times am Dienstag berichtete, am letzten Montag im Alter von 61 Jahren gestorben.
Globales Dorf, einmal anders: Das internationale Gutmenschentum macht mächtige Schritte bei der Provinzialisierung der Metropolen: Das New Yorker Metropolitan Museum warnt seine Besucher vor den Bildern einer Werkschau des britischen Realisten Lucian Freud, des Enkels von Sigmund Freud. „Die Ausstellung ist für Kinder ungeeignet“, steht auf einem Schild vor dem Eingang. Was Lucien Freuds Bilder „ungeeignet“ macht ist naturellement nacktes Fleisch – Aktbilder wohlgemerkt, keine Pornographie. Wer jemals ein Bild von Freud gesehen hat, weiß, daß dessen Kunst vor allem zu einem Zweck „ungeeignet“ ist – die Jugend zu verderben. Und auch zu machtgeilen Tugend-Spektakeln.
Wo wir schon einmal so schön in Schwung sind: Alle, die sich bereits so rege an der Diskussion um „Beruf Neonazi“ beteiligt haben, jedoch den Weg ins Kino bisher scheuten, könne sich die Sache heute abend bei Chips und Bier zu Hause reinziehen: 30 Minuten (immerhin) aus Bonengels Film sind ab 22 Uhr auf Vox zu sehen.
taz lesen kann jede:r
Als Genossenschaft gehören wir unseren Leser:innen. Und unser Journalismus ist nicht nur 100 % konzernfrei, sondern auch kostenfrei zugänglich. Texte, die es nicht allen recht machen und Stimmen, die man woanders nicht hört – immer aus Überzeugung und hier auf taz.de ohne Paywall. Unsere Leser:innen müssen nichts bezahlen, wissen aber, dass guter, kritischer Journalismus nicht aus dem Nichts entsteht. Dafür sind wir sehr dankbar. Damit wir auch morgen noch unseren Journalismus machen können, brauchen wir mehr Unterstützung. Unser nächstes Ziel: 40.000 – und mit Ihrer Beteiligung können wir es schaffen. Setzen Sie ein Zeichen für die taz und für die Zukunft unseres Journalismus. Mit nur 5,- Euro sind Sie dabei! Jetzt unterstützen